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Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer

Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer

Titel: Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Kappel
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beschränkte sich also nicht nur darauf, den Hund aufzuregen, sondern sie
musste auch Frau Hörbiger abregen. Nicht nur der Autolack litt unter den wilden Angriffen der Bestie, die Schauspielerin hatte panische Angst vor dem kraftvollen Dobermann. Sie ist eine großartige Schauspielerin, mit einem verständlichen Hang zur Vorsicht. Einen Tag vor dem Dreh mit Zorro rief sie mich an, um sich noch einmal hundertprozentig zu vergewissern, dass nichts passieren könne. Da ich meinen perfekt ausgebildeten Hund in- und auswendig kenne, versicherte ich Frau Hörbiger, dass es keinerlei Gefahr für sie gebe. Nach Rücksprache mit der Regie vereinbarten wir, dass Zorro einen Mindestabstand von einem Meter zu ihr einhalten solle und dafür ein wenig mit dem Winkel der Kamera geschummelt würde, um die Situation für den Zuschauer trotzdem so bedrohlich wie möglich darzustellen.
    Ein respektvolles Verhalten Dobermann Zorro gegenüber war nicht nur Christiane Hörbiger vorbehalten, sie befindet sich in bester Gesellschaft, denn auch Mario Adorf und Jürgen Tarrach bekamen Zorro als schwarzen vierbeinigen Filmpartner zugeteilt. »Es ist ein Elch entsprungen« heißt ein Weihnachtsfilm für Kinder und solche, die es immer noch ab und zu mal sein wollen. Trotz regelrechter Hundephobie haben sich die beiden männlichen Hauptdarsteller überwunden, zusammen mit Zorro tapfer eine »heiße« Beißszene zu drehen. Seitdem sind sie große Verehrer des Dobermannrüden. Mit einem vom Drehbuch vorgeschriebenen lässigen »Hör auf« musste sich Jürgen Tarrach als Besitzer des Hundes zwischen einen kleinen Jungen und Zorro stellen, der sich in all seiner faszinierenden Gefährlichkeit vor dem Kind aufgebaut hatte. Der Darsteller des kleinen Bertil war ein mutiger kleiner Superman, er musste nämlich dem zähnefletschenden Hund in dieser Szene auch noch einen Keks zwischen die Kiefer schieben, obwohl die Bestie ihn, natürlich nur laut Drehbuch, zum Frühstück verspeisen wollte.

    Alle großen und kleinen Darsteller kostet eine solche Szene eine große Portion der Medizin, die man Überwindung nennt. Im Kinofilm »Bumm« hatten Katja Riemann und Ulrich Noethen das Vergnügen, hier gab es eine wilde Verfolgungsjagd. Wer der Verfolger war? Ich denke, Sie können es erahnen.

    Doch zurück in den bayerischen Regenwald. Bei »Bis an die Grenze« teilten Katharina Böhm und Götz Otto das Schicksal, mit Zorro zu drehen. In dieser Szene sollte es wirklich zur Sache gehen. Ein Oberschenkelbiss, selbstverständlich nur angedeutet, und ein herzhaftes Festhalten am Unterarm wurden vom Drehbuch als leichte Attacken des Grenzhundes auf die Menschenschleuser bezeichnet. Der Drehbuchautor hatte sich jedoch noch eine wirklich explosive Szene einfallen lassen: Zorro verbeißt sich regelrecht in einen der Protagonisten, und zwar so, dass der Eindruck entsteht, er würde ihn nie mehr loslassen.
    Das Verbeißen kennen allerdings nicht nur Hunde. Nicht selten kommt es vor, dass sich ein Regisseur bei den Dreharbeiten in eine einzige Szene regelrecht verbeißt, um die bestmögliche Leistung zu erzielen, und wir Wiederholung um Wiederholung drehen. Das wollte ich in diesem Fall unbedingt vermeiden, dem Darsteller, aber vor allem dem Hund zuliebe. Es gehört schließlich auch zu meinen Aufgaben, den Kräftehaushalt der Tiere sinnvoll einzuteilen. Gerade eine heftige Angriffsszene erfordert einiges an Energie.
    Um solch eine Szene zu trainieren, verwende ich immer einen Konfigurantenarm, das ist ein Schutz aus Leder oder Kunststoff, den die Zähne eines Tieres garantiert nicht durchdringen, oder sogar einen kompletten Schutzanzug. Wichtig ist es natürlich, die angegriffene Person – ob beim Training oder dann am Set – zu schützen, aber für mich geht es vor allem darum, dass der Hund nicht durch eventuelles echtes Schmerzgeschrei
des Gepackten verunsichert wird. Ich muss ihn mit anfeuernder Stimme positiv bestätigen, wenn er das »Opfer« beziehungsweise den Schutzanzug, in dem der Helfer gut geschützt steckt, mit seinen Zähnen packt. Während der Schutzhundausbildung bei der Polizei oder beim Zoll werden ebenfalls genau diese Dinge trainiert.
    Für Filmaufnahmen sind die Gegebenheiten etwas anders. Der gutaussehende, schlanke Schauspieler würde mit dem entsprechenden Outfit schnell zum Michelin-Männchen. Über dem Schutzanzug müsste er auch noch die maßgeschneiderte Filmkleidung, die von der Kostümabteilung festgelegt wird, tragen, aber mindestens

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