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Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer

Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer

Titel: Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Kappel
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drei Nummern größer. Also mussten wir eine andere Lösung finden. Anstelle eines Konfigurantenarmes, der normalerweise bei der Schutzhundausbildung den menschlichen Arm vor dem fingierten Angriff des Hundes schützt und sehr viel dicker als ein gewöhnlicher Hemdsärmel ist, steckte ich einen Lederärmel, ausgestopft mit Zeitungspapier, unter das Kostüm. Oberkörper und Weichteile wurden mit einem Kettenhemd geschützt, wie es im Mittelalter bei den Rittern üblich war. Die Beine waren mit hautengen Protektoren vollgepackt, wie wir sie vom Sport kennen. Eishockey-Spieler und Rollerblader wären höchst gefährdet, wenn sie diese Hilfsmittel nicht tragen würden. Der Schutz vor dem enorm kräftigen Hundekiefer und den gefährlichen Zähnen war so unter dem Kostüm für den Zuschauer nicht sichtbar, und der Schauspieler konnte sich – zumindest faktisch und theoretisch – sicher fühlen. Da keine Versicherung der Welt einen Schauspieler versichern würde, der sich dem Angriff eines Dobermanns aussetzt, übernimmt ein Stuntman solche Aufgaben, dann bleibt der Schauspieler in Sicherheit und somit den Dreharbeiten unbeschadet erhalten. Stuntmen sind nicht nur durchtrainiert, sie wissen auch genau, wie sie einen derartigen Hundeangriff unbeschadet überstehen. Wenn es sein muss, sind sie
auch in der Lage, sich zu wehren. Eine gehörige Portion Mut gehört natürlich auch noch dazu, wenn man sich von einem augenscheinlich schlecht gelaunten Dobermann umwerfen lassen und sich anschließend seinen Angriffen ergeben soll. Glauben Sie nicht, dass Dobermann Zorro Mitleid mit dem Stuntman empfand und deshalb vorsichtig agierte. Genau das Gegenteil war der Fall: Ungebremst und voller Elan stieg Zorro in das spannende Spiel ein. Er konnte es kaum erwarten, bis mein Kommando kam, das seinen mit mir einstudierten Angriff abrief. Sieht die Attacke nicht aggressiv genug aus, ist der Regisseur mit Sicherheit unzufrieden und wir müssen das Ganze wiederholen.
    Genau so abrupt, wie das Schauspiel begonnen hatte, hörte es mit meinem Kommando auch wieder auf. Ich gab einfach das vereinbarte Zeichen, in dem Fall einen Pfiff, und schon ließ das »Ungeheuer« von seinem Opfer ab. Zorro beeilte sich, zu mir zurückzukommen, denn sein Lohn in Form von begeistertem Lob wartete schon. Das Team konnte es kaum glauben, dass bei Zorro diese kurz zuvor doch so deutliche Aggressivität wie weggeblasen war. Auch während der Drehpausen gab es davon keine Spur. Er zeigte nicht das geringste Interesse an dem Stuntman, das beruht übrigens meist auf Gegenseitigkeit. Sobald jedoch die Klappe das nächste Mal fiel, wartete Zorro auf mein Kommando und verwandelte sich in Sekundenschnelle wieder in die zähnefletschende Bestie.
    Der Trick liegt ausschließlich im Aussehen des Hundes! Würde ich dieses Spiel einem kleinen Schoßhund beibringen, wäre das der Lacher schlechthin. Bei einem großen, dunklen Hund mit spitzem Fang und stehenden Ohren macht ein Angriff, auch wenn er nur fingiert ist, Angst.
    Zum Vergleich stelle ich Ihnen kurz die Zwergausgabe des Dobermanns, den Rehpinscher, vor. In dem Fernsehfilm »Tote Hose« mit Wolke Hegenbarth und Oliver Mommsen durfte
ein solcher Dreikäsehoch eine ähnliche Aktion starten wie Zorro. Nur wurde dieses Mal kein Stuntman und kein Schutzanzug benötigt, niemand am Set hatte Angst vor dem knurrenden Zwerg, und von Ehrfurcht konnte gar keine Rede sein. Im Gegenteil: Alle schütteten sich aus vor Lachen über den durchaus ernsthaft arbeitenden Rehpinscher.
    Bei Zorro lachte niemand: Der Stuntman lag im Dreck, der Hund stand über ihm und zerfetzte ihm energiegeladen die Hose, das rote Filmblut schoss üppig aus den Depots, die in der Hose untergebracht waren. Der Stuntman wurde zum Schauspieler und rief mit schmerzverzerrter Miene um Hilfe. Das war objektiv betrachtet eine dramatische Szene, die, man mag es gar nicht glauben, während einer Regenpause gedreht werden konnte. Der Regen ließ aber nicht lange auf sich warten, Zorro war gerade auf dem Rückweg, um sein Lob bei mir abzuholen, als es wieder anfing zu schütten. Natürlich waren wir alle schnell erneut patschnass und wurden von einer Art Schneeraupe zurück in unser Camp am Fuße eines Berges gebracht. Zorro, der Stuntman und ich brauchten Ruhe. In der Presse war bald Folgendes zu lesen: »Naturthriller im ZDF ›Bis an die Grenze‹, Horror-Trip im Bayerischen Wald trifft Forsthaus Falkenau.«

Auch wenn Ihr Hund Sie verhundlicht, sollten Sie ihn

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