Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
nicht vermenschlichen
Hunde sind die uneingeschränkten Favoriten im Film, Hunde sind unsere liebsten Haustiere, Hunde sind die Tiere, die wir erziehen, anziehen und verziehen, mit und ohne Wissen um diese »verdammten« Emotionen. Versuchen wir Menschen,
das Verhalten des Hundes mit unseren Gefühlen und menschlichen Denkweisen zu vergleichen, jagt ein Missverständnis das andere. Der Klassiker eines Aneinandervorbeilebens entsteht, wenn die Frage der Führung nicht geklärt ist. Hunde leben in der Hierarchie eines Hunderudels. Wir Menschen führen in der heutigen Gesellschaft im Gegensatz dazu das Leben eines Einzelgängers, eines »Paarläufers« oder sind Teil eines kleinen Familienverbandes. Für den Hund jedoch spielen wir die Ersatzfamilie, und zwar Vater oder Mutter – gleichbedeutend mit Oberhaupt der Familie und somit Chef des Clans.
Wie auch immer Sie sich benehmen, für Ihren Hund bilden Sie und Ihre Angehörigen seine Adoptivfamilie. Gibt es kein dominantes Mitglied dieses Clans, übernimmt ohne weitere Rückfragen Ihr Hund die Führung. Dann zeigt er mit Nachdruck allen, wo es langgeht – und das kann nervig werden. Es ist aber nicht die »Schuld« des Hundes. Der tut, was er kann, und legt sich richtig ins Zeug, um die führerlose und damit in seinen Augen gefährdete Familie am Leben zu erhalten. Übernehmen Sie oder jemand anderes aus der Familie die dominante Führung, ordnet sich Ihr Hund sofort unter. Das entspricht seinen Überlebensstrategien. Und es ist ihm sogar angenehm, den Leistungsdruck des Boss-Seins nicht selbst tragen zu müssen. Dass Ihre Führung Liebe und Fürsorge einschließt, ist selbstverständlich.
Wer der Chef ist, zeigt sich im Alltag bei den kleinsten Kleinigkeiten. Der tägliche Spaziergang mit Bello beispielsweise birgt schon im Vorfeld einige Gefahren, die zum größten Teil völlig überflüssig sind. Wie banal es auch klingt, ein planvolles Vorgehen hilft, alltägliche Aufgaben zu lösen und somit ein harmonisches Zusammenleben zwischen Mensch und Tier zu gewährleisten. Die verschiedenen Standpunkte der Wahrnehmung der Beteiligten spielen hier eine große Rolle.
Bello geht mit Frauchen Gassi
Frauchen gibt den Startschuss schon vor dem Öffnen der Haustür. Der Hund sitzt bereits in den Startlöchern und scharrt mit den Pfoten, während sie noch hektisch herumrennt, um sich für den Spaziergang zu rüsten. Schon ab diesem Zeitpunkt weiß Bello, dass das Rennen bald beginnt. Wird dann noch die Tür geöffnet, flitzt er los, um bloß als Erster den Gehweg zu überqueren, ein gern gesehenes Opfer ist der Briefträger, der angekläfft wird, als ob er gleich zum Frühstück verspeist werden soll.
Mitten auf der Straße löst der freilaufende Hund ein Hupkonzert der bremsenden Autos aus, und Frauchen schrammt gerade noch an einer größeren Polizeiaktion vorbei, da glücklicherweise keine Massenkarambolage daraus entstanden ist. Nun kommt sie zum Tatort. Mit offenen Schuhbändern, wehenden Haaren, die Hundeleine einem Lasso gleich schwingend, hetzt sie stolpernd zur Straße und ruft hektisch mit atemloser Stimme nach dem ungezogenen Hund – der nicht wirklich ungezogen ist, sondern lediglich ihren Startschuss wahrgenommen hat. Beschimpfungen von den Autofahrern schuldbewusst entgegennehmend, geht die Hundehalterin mit gesenktem Kopf und einem inzwischen angeleinten Bello zurück zum Haus. Das Tier wird selbstverständlich lautstark darüber informiert, dass es alles, wirklich alles falsch gemacht hat. Unsere subjektive Wahrnehmung lässt uns gern die Schuld beim Hund suchen, aber um es auf den Punkt zu bringen: Der Hundeführer ist immer, wirklich immer verantwortlich für die »Fehler«, die der Hund macht.
Also drehen wir den Spieß um: Nicht Bello geht mit Frauchen Gassi, sondern . . . Frauchen geht mit Bello Gassi. Nun also alles der Reihe nach: Schuhe schnüren, Jacke an, Hund an die Leine, Kommando an Bello, beispielsweise ein bestimmtes,
gelassen ausgesprochenes »Sitz«, »Bleib« oder »Steh«. Wenn Ihnen das zur nötigen Gelassenheit hilft, hilft es auch Ihrem Tier. Dann erst wird der Sesam geöffnet und so kann Bello, der nun nicht mehr auf der Flucht ist, sondern von seiner Chefin geführt wird, dem Briefträger ein freundliches Schwanzwedeln anbieten und dann in aller Ruhe an der Leine mit einem entspannten Frauchen die Straße überqueren.
Von Führern und Geführten
Die Sicht des Hundes bietet nur zwei mögliche Lebensformen in seinem Rudel: führen
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