Tiere im Rampenlicht - aus meinem Leben als Filmtiertrainer
Wolfsrudel. Ich beobachtete, wie von einem Tag auf den anderen die Alphawölfin ihrem Alphawolf nicht mehr den Rücken stärkte. Nach der gemeinsamen Aufzucht der Jungtiere ist das Verhältnis zwischen Wölfin und Wolf normalerweise sehr innig. Sie bevorzugte nun allerdings einen anderen Wolfsherren, was zur Folge hatte, dass der altgediente Alphawolf vom gesamten Rudel, einschließlich seiner bisherigen Herzensdame, mir nichts, dir nichts angegriffen, getötet und verschlungen wurde. Bis zu den wilden Wölfen müssen wir auch dabei nicht gehen. Wie oft heißt es: Der alte Hengst hat ausgedient! Jahrelang hat er seine Gene an die Nachkommen weitergegeben, jetzt wird er von einem jungen, stärkeren Hengst entthront, der seine Regierungsgeschäfte kompromisslos übernehmen wird. Die Stuten
der Herde verabschieden den alten Haudegen nicht mit Tränen, sie entscheiden sich ohne Wenn und Aber für den Sieger, den Neuen, den Starken, denjenigen, der Erbmaterial trägt, das starke, überlebensfähige Fohlen gewährleistet und somit die Erhaltung der Spezies Pferd sichert. Emotionsloses Verhalten, das einen wichtigen Zweck erfüllt.
Rettung ohne Auftrag
Unsere Emotionen spielen oft in allerlei Rettungsversuche von Tieren hinein. Ganz neutral formuliert ist die Rettung das Abwenden einer Gefahr. Wir retten Hunde aus einem Katastrophengebiet, wir retten Schafe aus einem Versuchslabor und wir retten eine Wespe vor dem Ertrinken im Limonadenglas. Da Hund und Schaf gern in besseren Bedingungen leben als denen, die das Katastrophengebiet und das Versuchslabor bieten, und die Wespe nicht lebensmüde ist, ist der Auftrag im übertragenen Sinn erteilt. Auch die Rettung von Menschen in vergleichbar lebensgefährlichen Situationen, ob sie nun in der Lage sind, ein SOS abzusenden oder nicht, ist erlaubt und sogar Pflicht.
Oftmals ist es allerdings Rettung ohne Auftrag. Wir retten ein Tier, das nicht weiß, was unsere Intention ist. Ein sofortiges »Dankeschön, lieber Mensch« können wir nicht erwarten, im schlimmsten Fall wird es noch kräftig zubeißen. Doch woher soll das verängstigte Tier wissen, was wir vorhaben? Es geht aus Unsicherheit in eine Abwehrhaltung vor dem vermeintlich gefährlichen Retter. Erst wenn das Tier verstanden hat, dass wir der Retter in der Not sind und es gut mit ihm meinen, kann es sich entspannen und kooperativ verhalten. Das neue Leben kann beginnen, auf jungem Vertrauen basierend schreiben wir und das Tier das erste Kapitel einer Freundschaft.
Oft dauert es Jahre, bis ein Tier negative Erlebnisse überwindet
und Vertrauen entwickelt. Und oftmals haben sich die Folgen der Lebensweise seiner Vorfahren bereits in seine Gene überschrieben. Ein Beispiel sind die Hunde, die von engagierten Tierschützern aus dem Mittelmeerraum nach Deutschland vermittelt werden. Neben der oft schlechten Erfahrung mit Menschen während ihres Vagabundendaseins auf den Straßen des Südens hat sich bei vielen dieser Hunde über Generationen ein Verhalten entwickelt und vererbt, das ein Überleben unter diesen Bedingungen möglich macht: Anpassung siegt. Dies wiederum macht aber ein Leben in unseren geordneten Verhältnissen für den geretteten Hund nicht einfach. Denn noch vor Kurzem, auf seiner Straße, hieß das Gesetz: Der Stärkere siegt. Die Selektion der Tiere folgte diesem Straßengesetz. Nun soll er wie einer unserer »kultivierten« Hunde leben, was ein zurückgebildetes Instinktverhalten und dafür eine stärkere Anpassungs- und Nachahmungsfähigkeit voraussetzen würde. Bei der Vermittlung und Haltung solcher Tiere ist es hilfreich, diese Zusammenhänge zu beachten.
Und da sind wir dann schnell bei unseren Emotionen. Wir haben doch mit der Rettung des Hundes etwas Gutes getan und wollen Lob und Dank. Das aber wird uns, die wir ein völlig anderes Leben gewohnt sind, der Hund nicht geben können. Im Gegenteil, er wird es uns erst mal ziemlich schwer machen, wenn wir an ihn so herangehen wie an einen hier geborenen und immer gut behüteten Hund.
Wir »retten« oft, ohne beurteilen zu können, ob der Gerettete versteht und braucht, was wir mit ihm vorhaben. Wir projizieren unsere Wahrnehmung in die des anderen. Wir holen die Katze vom Baum, ohne den Auftrag von ihr erhalten zu haben, und werden als »liebevolles Dankeschön« dafür gekratzt. Feuerwehrleute tragen bei derartigen Einsätzen immer dicke Handschuhe, denn sie wissen, was sie tun. Die Katze aber auch. Würden wir sie gewähren lassen, würde sie von
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