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Tiere

Tiere

Titel: Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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vergessen hatte. Alles kam mir irgendwie verschwommen und gleichzeitig total klar vor. Über Cheryls Oberlippe konnte ich feine blonde Härchen sehen. Es sah wie ein Schnurrbart aus. Das war mir vorher gar nicht aufgefallen.
    «Soll ich es dir zeigen?», fragte ich.
    Sie machte ein Gesicht, als wollte sie etwas Komisches sagen, aber sie sagte nur: «Na, dann los.» Ich stand auf und half dann ihr hoch. Wir schafften es ohne Probleme, doch bei mir drehte sich alles. Ich musste einen Moment warten, ehe ich losgehen konnte. Wir lehnten uns aneinander. «Wo gehen wir hin?», fragte Cheryl.
    «Hier runter», sagte ich und machte die Kellertür auf.
    Sie verzog ihr Gesicht und meinte: «In den Keller?»
    «Schon in Ordnung», sagte ich. «Es ist nicht dunkel.»
    Ich ging die Treppe runter. Da Cheryl noch meine Hand hielt, musste sie mitkommen. Als wir unten waren, blieben wir stehen. Cheryl zitterte. «Was willst du mir zeigen?», fragte sie.
    Ich dachte, dass sie sich vielleicht wie Pete fragte, was die ganzen Tische und Stühle dort unten machen, aber sie achtete gar nicht darauf.
    «Hier fanden die geschlossenen Gesellschaften statt», sagte ich.
    Sie sah total verwirrt aus. «Was, hier unten?», sagte sie. «Ich dachte, du hättest gesagt, sie fanden in der Schankstube statt.»
    «Zuerst», sagte ich. «Aber nachdem die Polizei da war, wusste mein Papa, dass es oben nicht mehr geht. Also machte er hier unten weiter. Er sagte, er hat keine Wahl,er muss etwas tun, damit Gäste kommen. Ich glaube aber, dass er unbedingt weitermachen wollte. Es hat ihm Spaß gemacht.» Wenn ich daran dachte, konnte ich noch Bier und Zigaretten riechen. Ich schloss die Augen und konnte mir wieder vorstellen, wie voll es hier unten gewesen war, konnte die ganzen redenden und lachenden und feiernden Männer und meinen Papa vor mir sehen, der in der Ecke stand und Bier zapfte.
    «Alles in Ordnung?», fragte Cheryl. Ich öffnete die Augen. Ich schwankte so sehr, dass ich mich auf einen Stuhl hinter dem nächsten Tisch setzte. Cheryl setzte sich auch, aber nur auf die Kante. «Nigel, geht’s dir gut?», fragte sie wieder, und ich nickte. Aber eigentlich ging es mir nicht gut.
    «Hier war es immer knallvoll», sagte ich. «Donnerstag-, Freitag- und Samstagabend. Man konnte sich nicht mehr bewegen. Dann auch an anderen Abenden. Wenn die Stripperinnen kamen.»
    «Die Stripperinnen kamen auch hier runter?», fragte Cheryl. «War es nicht zu kalt?» Sie hatte die Arme verschränkt und zitterte ein bisschen.
    «Wenn alles voll war, nicht», erzählte ich ihr. «Mein Papa musste sogar Styroporplatten auf die Fässer legen, damit das Bier nicht zu warm wurde. Außerdem hat er einen Heißlüfter in den Gang gestellt und Licht gelegt, damit sie sich dort umziehen können.»
    Cheryl schaute sich zum Gang um. Die Tür war immer noch offen. «Was ist dahinter?», fragte sie. Ich antwortete nicht.
    «Er hatte zwei oder drei an einem Abend», sagte ich.
    «Was?», meinte Cheryl.
    «Stripperinnen», sagte ich. Ich wünschte, sie würde michnicht ständig mit Fragen löchern. «Nachdem die Polizei da gewesen war, ließ mein Papa sie nicht mehr im Pub auftreten. Er sagte, es würden mehr Leute hier runterkommen, wenn sie auf sie warten müssen. Sie kamen immer erst kurz vor der Sperrstunde und gingen dann direkt hier runter. Die Stripperinnen, meine ich. Damit meine Mama sie nicht sehen konnte, falls sie in die Schankstube kam. Aber das machte sie nicht. Damals ist sie schon nicht mehr in die Schankstube gegangen. Aber mein Papa wollte trotzdem, dass die Stripperinnen direkt hier runterkommen. Nur zur Sicherheit.»
    Ich hielt inne. «Ich glaube aber, sie wusste, dass er sie immer noch kommen ließ», sagte ich nach einer Weile, «denn einmal habe ich gehört, wie sie sich stritten und meine Mama sagte: ‹Und glaub ja nicht, ich weiß nicht, was unten im Keller mit diesen Flittchen vor sich geht! Ich bin ja nicht dumm›, und mein Papa sagte: ‹Nein, aber du bist auch nicht schön genug, um so viel Leute anzuziehen wie sie.›»
    Ich rieb die Tränen weg, die mir gekommen waren. «Am Anfang bin ich mit runtergegangen, um zu helfen», erzählte ich Cheryl. «Wir hatten hier unten keine richtige Theke. Mein Papa stand einfach hinter einem Tisch mit einem Fass, und ich bin hin und her gelaufen, um die Bestellungen der Leute aufzunehmen. Ich wartete immer so lange, bis die Stripperin ihren Kopf aus dem Gang steckte, um meinem Papa mit einem Nicken zu zeigen, dass

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