Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)

Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)

Titel: Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
Vom Netzwerk:
Verdacht, am Ende sei das Ganze wie üblich nur eins dieser Großprojekte, an denen sich der Klüngel aus Politik und Wirtschaft bereichere; als Venezianer fand er es zum Verzweifeln, dass seine Mitbürger zu so etwas in der Lage waren.
    Mit solchen Gedanken beschäftigt, verließ er das Boot und machte sich auf den Weg in die Außenbezirke von Castello. Ab und zu zögerte er kurz, da er seit Jahren nicht mehr in dieser Gegend gewesen war, und überließ es schließlich seinen Füßen, den Weg zu finden. Zu seiner Freude erblickte er wenig später Vianello, der, im Regenmantel ans Geländer gelehnt, am Rio San Giuseppe auf ihn wartete. Der Ispettore wies auf den Hauseingang vor sich und sagte: »Da steht, die Praxis öffnet um neun, aber bis jetzt ist niemand reingegangen.«
    An der Tür hing in einer Plastikhülle ein gedrucktes Kärtchen mit dem Namen des Arztes und den Sprechzeiten.
    Nach einigen Minuten schlug Brunetti vor: »Sehen wir mal, ob er schon da ist.«
    Vianello stieß sich vom Geländer ab und folgte ihm. Brunetti läutete und drückte dann gegen die Tür, die ohne weiteres aufsprang. Sie traten ein und gelangten über zwei Treppenstufen in das Entree, das wiederum in einen offenen Hof führte. Zu ihrer Linken wies ein Schild mit dem Namen des Arztes und einem Pfeil darunter auf die andere Seite.
    Der Regen, der draußen nur lästig gewesen war, fiel hier im Hof sanft und freundlich auf frisches grünes Gras. Sogar das Licht war anders; irgendwie heller. Brunetti knöpfte seinen Regenmantel auf; Vianello tat es ihm nach.
    Sollte der Hof einst zu einem Kloster gehört haben, musste es das kleinste Kloster der Stadt gewesen sein. Die Seiten des überdachten Wandelgangs ringsum waren keine fünf Meter lang – für den Rosenkranz viel zu kurz, dachte Brunetti. Kaum hätte man die erste Dekade gebetet, wäre man schon wieder am Ausgangspunkt, aber immerhin in ruhiger, wunderschöner Umgebung, falls man so klug war, ihr Beachtung zu schenken.
    Die Akanthusblätter an den Kapitellen waren verwittert, die Rillen an den Schäften von der Zeit abgetragen. Das aber konnte nicht geschehen sein, solange die Säulen in diesem geschützten Innenhof gestanden hatten; wer weiß, woher sie ursprünglich stammten oder wann sie nach Venedig gekommen waren? Plötzlich grinste ein Ziegenbock auf Brunetti herab: Wie war diese Säule hierher geraten?
    Vianello wartete bereits vor einer grünen Holztür, an der eine Messingtafel mit dem Namen des Arztes prangte, und öffnete sie, als Brunetti bei ihm anlangte. Sie traten in ein Wartezimmer, wie Brunetti schon viele gesehen hatte. Die Tür zum Sprechzimmer war geschlossen. An den Wänden standen orangefarbene Plastikstühle, in einer Ecke ein niedriger Tisch mit zwei Zeitschriftenstapeln. Brunetti sah nach, ob es die üblichen waren: Gente und Chi . Nein: Anstelle von Starlets und drittklassigen Prominenten erblickte er Katzen und Hunde und ein ganz reizendes Schweinchen mit Nikolausmütze.
    Sie nahmen einander gegenüber Platz. Brunetti sah auf die Uhr. Nach vier Minuten kam eine alte Frau mit einem uralten Hund herein, dem an einigen Stellen so viele Haare ausgefallen waren, dass er einem Stofftier glich, wie man es auf dem Dachboden der Großeltern finden mag. Die Frau ignorierte sie und ließ sich auf den von Vianello am weitesten entfernten Stuhl sinken; der Hund ging jäh aufstöhnend vor ihr zu Boden, dann fielen beide in Trance. Seltsamerweise war nur der Atem der Frau zu hören.
    Die Zeit verging lautlos, nur von dem Schnarchen der Frau unterbrochen; schließlich stand Brunetti auf und ging zu der anderen Tür. Er klopfte an, wartete auf Vianello, klopfte noch einmal und drückte die Klinke.
    Hinter einem Schreibtisch erblickte Brunetti die obere Hälfte eines der dicksten Männer, die er je gesehen hatte. Er hing schlafend in einem Ledersessel, den Kopf so weit nach links geneigt, wie Hals und Doppelkinn es erlaubten. Sein faltenloses Gesicht ließ keine genauen Rückschlüsse auf sein Alter zu, wohl zwischen vierzig und fünfzig.
    Brunetti räusperte sich, aber das machte auf den Schlafenden keinen Eindruck. Im Näherkommen roch er abgestandenen Zigarettenrauch und die Ausdünstungen spätabendlichen oder frühmorgendlichen Trinkens. Die Hände des Mannes lagen verschränkt auf seinem gewaltigen Brustkasten, rechter Daumen und Zeige- und Mittelfinger bis zum ersten Knöchel gelb von Nikotin. Das Zimmer selbst roch merkwürdigerweise nicht nach Rauch: Der Geruch kam

Weitere Kostenlose Bücher