Tierische Profite: Commissario Brunnetis einundzwanzigster Fall (German Edition)
ein bisschen, blieben aber hinter den Beinen ihres Frauchens in Deckung.
Vianello, immer noch in bedrohlicher Haltung, kam nun ebenfalls und hielt der Frau seinen Dienstausweis hin. » Ich bin die Polizei, Signora, und laut Gesetz vom 3. März 2009 sind Sie verpflichtet, diesen Hunden in der Öffentlichkeit Maulkörbe anzulegen.« Er blickte sich um. »Das gilt auch für dieses Wartezimmer.«
Die alte Frau mit dem Hund in den Armen hob an: »Signore«, aber Vianello brachte sie mit einem Blick zum Schweigen.
»Nun?«, fragte er barsch. »Wissen Sie, wie hoch das Bußgeld ist?«
Brunetti war sicher, dass Vianello es nicht wusste und die Frau wohl schon gar nicht.
Einer der großen Hunde begann zu winseln; die Frau riss heftig an der Leine, und sofort brach er ab. »Ich weiß. Aber ich dachte, hier drin…« Sie machte eine vage Bewegung mit der freien Hand und verstummte. Dann bückte sie sich und tätschelte beiden Hunden den Kopf, worauf diese mit dem Schwanz wedelnd auf die Wand hinter sich einpeitschten.
Offenbar besänftigt von der fürsorglichen Geste der Frau und der gutmütigen Reaktion ihrer Hunde, bemerkte Vianello: »Für diesmal will ich Gnade vor Recht ergehen lassen, aber passen Sie in Zukunft besser auf.«
»Danke, Signore«, sagte sie. Die Hunde kamen hinter ihr hervor und wollten zu Vianello, aber sie hielt sie zurück.
»Und die Beleidigungen! Was ist damit?«, fragte die alte Frau.
»Bleiben Sie doch einfach ruhig sitzen, meine Damen, bis wir mit dem Arzt gesprochen haben«, schlug Brunetti vor und ging ins Sprechzimmer zurück.
Der Vorteil war verspielt: Das erkannte Brunetti sofort, als er den dicken Mann wiedersah. Der stand rauchend am offenen Fenster und sah den eintretenden Polizisten mit einer Miene entgegen, aus der nicht mehr Angst, sondern heftiger Widerwille sprach. Und der rührte, vermutete Brunetti, nicht etwa daher, dass er sich vorhin seine Angst hatte anmerken lassen, sondern vielmehr daher, dass er nun wusste, wer sie waren.
Er sog schweigend an seiner Zigarette, bis nur ein Stummel übrig war; um sich nicht zu verbrennen, fasste er ihn mit den Fingerspitzen, nahm einen letzten Zug und warf ihn hinaus. Dann schloß er das Fenster, blieb aber davor stehen.
»Was wollen Sie?«, fragte er mit seiner hohen Stimme.
»Wir möchten Sie wegen Dr. Andrea Nava sprechen, Ihren Nachfolger«, sagte Brunetti.
»Da kann ich Ihnen nicht helfen, Signori«, sagte Meucci achselzuckend.
»Wieso das, Dottore?«, fragte Brunetti.
Meucci schien sich nur mühsam ein Lächeln zu verkneifen. »Weil ich ihn nie gesehen habe.«
Brunetti ließ sich seine Überraschung nicht anmerken. »Sie mussten ihm nichts erklären?«, fragte er. »Zu den Leuten im macello, zu den Arbeitsabläufen, wo, mit wem, womit und wann dort gearbeitet wird?«
»Nein. Das haben der Direktor und seine Leute getan, nehme ich an.« Meucci griff in die linke Tasche seiner Jacke und zog eine zerknautschte Packung Gitanes und ein Plastikfeuerzeug hervor. Er steckte sich eine Zigarette an, nahm einen tiefen Zug und öffnete das Fenster. Kühle Luft wehte herein und verteilte den Rauch im Raum.
»Mussten Sie ihm schriftliche Anweisungen hinterlassen?«, fragte Brunetti.
»Ich war nicht für ihn zuständig«, sagte Meucci. Einen Augenblick lang dachte Brunetti, wenn der Mann wüsste, dass Nava tot war, könne er nicht so gleichgültig von ihm reden. Dann aber ging ihm auf, dass Meucci es wissen musste – denn wer in Venedig wusste es nicht? Zumal wenn es sich um den eigenen Nachfolger handelte?
»Verstehe«, sagte Brunetti. »Könnten Sie mir erklären, was genau Sie dort zu tun hatten?«
»Wozu wollen Sie das wissen?«, fragte Meucci hörbar gereizt.
»Damit ich mir von Dottor Navas Arbeit ein Bild machen kann«, antwortete Brunetti verbindlich.
»Hat man Ihnen das da draußen nicht erzählt?«
»Wo da draußen?«, fragte Brunetti leichthin und sah zu Vianello, als solle der sich Meuccis Frage merken.
Meucci versuchte seine Überraschung zu kaschieren, indem er sich abwandte und die erst halb gerauchte Zigarette aus dem Fenster warf. »Im Schlachthof«, sagte er gepresst, als er sich wieder zu Brunetti umdrehte.
»Sie meinen, als wir dort waren?«, fragte Brunetti im Plauderton.
»Sie waren da?«, stellte sich Meucci noch schnell dumm.
»Das wissen Sie ja offenbar schon, Dottore«, sagte Brunetti lächelnd und zückte sein Notizbuch. Er schlug es auf, schrieb etwas hinein und sah den Arzt an, der sich bereits die
Weitere Kostenlose Bücher