Tiffany Duo Band 0119 (German Edition)
sahen sie den Geistlichen am Fuß der Treppe warten. Als sie bei ihm angelangt waren, ergriff er Jimmy Joes Arm und lotste ihn durch die offen stehenden Verandatüren in den Garten.
Es war ein wundervoller Tag. Die Gewitterfront war vorübergezogen, sodass die Luftfeuchtigkeit fast normal war für einen Junitag in Georgia, und von einem blassblauen Himmel strahlte die Sonne. Die Bienen summten und in der Luft lag Blumenduft.
Troy stand neben seinem Bruder und beobachtete, wie seine und Mirabellas Familie den Gang heraufkamen, während er fast in seinem eigenen Schweiß ertrank und sein Herz raste wie ein Hochgeschwindigkeitszug. Die Kids kamen zuerst, Jimmy Joes Junge J.J., der seine zukünftige Stiefschwester Amy im Kinderwagen vor sich her schob, neben ihm sein Cousin Sammi June, und die beiden konnten natürlich nicht widerstehen, sich ständig mit den Ellbogen kichernd in die Rippen zu boxen. Dann kam Mirabellas Schwester Summer mit ihren zwei Kindern und danach die andere Schwester, die ältere, die Eve hieß und Reportagen fürs Fernsehen drehte und dabei in der ganzen Welt herumkam.
Und dann kam sie.
Charly
.
Sie kam durch den Gang auf ihn zu, mit stolz erhobenem Kopf und sicheren Schritten, trotz des Grases und der hohen Schuhe, mit diesen unglaublichen Beinen, die überhaupt nicht zu enden schienen. Sie kam ihm schmaler vor als vor ein paar Tagen, als er sie zuletzt gesehen hatte, aber das konnte an dem Kleid liegen, das das weiche Grün junger Blätter hatte, mit einem Rock, der knapp oberhalb der Knie endete und einem Oberteil, das ihren Hals und ihre Arme freiließ. Ihre Haut war bleich wie Wachs, und das Haar, in dem eine gelbe Rose steckte, hatte sie sich in einer Art hochgesteckt, die ihn wieder an Audrey Hepburn erinnerte oder vielleicht an eine Primaballerina. In der Hand hielt sie ebenfalls eine gelbe Rose.
Troy fand, dass sie den schönsten Anblick bot, den er je in seinem Leben gesehen hatte.
Als die Ehrenjungfrau ihren Platz an der rechten Seite des Geistlichen eingenommen hatte, hörte Troy von der Vorderseite des Hauses her Bubbas Bellen, wo er den Hund an einen Baum angebunden hatte, damit er den Gästen nicht auf seine übliche übermütige Art zwischen den Beinen herumsprang. Immerhin heulte er nicht.
Und dann spielte der Organist den Hochzeitsmarsch, und jetzt war Mirabella an der Reihe, den langen Weg nach vorn zu dem improvisierten Altar anzutreten. Troy wusste, dass er ihr wie sein Bruder entgegenschauen sollte, aber er schaffte es nicht, seinen Blick von Charly loszureißen.
Er war sich noch nicht sicher, was er jetzt, nachdem er bei der Marine ausgeschieden war, mit dem Rest seines Lebens tun wollte, und es war im Moment auch noch nicht wichtig. Das Einzige, was er wusste, war, mit
wem
er es tun wollte. Und er wusste ohne jeden Zweifel, dass es diese Frau war, die hier vor ihm stand, die Frau mit dem stolz erhobenen Kopf und den wunderschönen whiskeyfarbenen Augen, in denen sich Schmerz widerspiegelte. Es spielte keine Rolle für ihn, dass sie eine Anwältin aus L.A. war, mit einigermaßen seltsamen Ansichten darüber, was kultiviert war, oder dass sie sich entschlossen hatte, alles am Süden zu hassen. Es war ihm egal, dass sie keine Ahnung hatte, was es hieß, sich als Teil einer Familie zu fühlen; seine Familie war groß genug für sie beide, und er konnte es gar nicht erwarten, dass auch sie endlich dazugehörte.
Zum ersten Mal in seinem Leben konnte er entfernt verstehen, warum Menschen bei Hochzeiten immer weinten.
“Liebe Hochzeitsgemeinde”, begann der Geistliche. “Wir haben uns hier im Angesicht Gottes versammelt, um diesen Mann und diese Frau …”
Troy erging sich in seinen Träumereien und hörte nichts, bis ihm auffiel, dass es plötzlich ganz still geworden war, und in dieser Stille entrang sich Charlys Kehle ein leiser, erstickter Laut.
Ihr Gesicht wirkte wie erstarrt. Aber in ihren Augen glühte ein Feuer. Sie schaute, allerdings nicht auf ihn und nicht auf die Braut und den Bräutigam, nicht auf irgendeinen der Hochzeitsgäste, die sich auf Klappstühlen rund um den improvisierten Altar niedergelassen hatten, sondern über sie hinweg. Auf jemanden, der dort ganz allein stand. Einen jungen Mann, fast ein Junge noch, mit dunkelblondem Haar, einem sensiblen Gesicht und einem stolz gereckten Kinn.
Cutter
.
Er hielt etwas in seinen Händen. Ein kleines, in dunkelgrünes Leder gebundenes Buch.
Mein Tagebuch
. Charly starrte darauf, ohne irgendetwas zu
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