Tiffany Duo Band 0124
Schlag. Ein Polizist? Dieser Mann, der ihr gegenübersaß, war ausgerechnet ein Pistolen schwingender, machthungriger, tyrannisierender Polizist? Genau so einer, wie es ihr Vater gewesen war? Jetzt ergab alles einen Sinn. Er gab gern Befehle, hatte gern das Sagen. Gereiztheit lauerte dicht unter der kühlen, selbstbewussten Hülle. Und er hatte sie vorhin einem richtigen Verhör unterzogen! Nick war ein Bulle!
Sie zitterte, als alte, unangenehme Erinnerungen in ihr wach wurden. Ihre Familie hatte sehr gelitten unter der Herrschaft eines tyrannischen Polizisten. Wie viel mehr musste sie von diesem Albtraum denn noch erdulden?
“Carly?”
“Mir geht es gut”, sagte sie.
“Bist du sicher?”
“Du hast mich einfach überrascht.”
“Überlass alles mir, ja? Wir müssen jetzt rauskriegen, wo du warst, bevor du in die Bar kamst.”
Nick ist nicht mein Vater, versuchte sie sich zu beruhigen. Aber vielleicht war er ihm ähnlich. Sie kannte ihn doch gar nicht. Nur als Liebhaber. Sie würde von jetzt an auf der Hut sein müssen. Er hatte zwar mit Leichtigkeit ihre Abwehr durchbrochen, aber jetzt wusste sie, wie sie sich ihm gegenüber zu verhalten hatte. Seine Hilfe würde sie annehmen, denn Hilfe brauchte sie dringend. Nur würde sie sich ihm nicht bedingungslos anvertrauen.
“Ich kann mich kaum an die Bar erinnern”, sagte sie ruhig. “Wie also soll ich mich an das erinnern, was davor geschah?”
Nick musterte sie nachdenklich. Dann stand er auf und bot ihr die Hand. “Lass uns raus auf die Terrasse gehen. Du bist blass. Du brauchst frische Luft.”
“Auf die Terrasse?”
Er lachte leise. “Na ja, schon eher ein kleiner Balkon. Aber mit Meeresblick. Vielleicht wird dir dann etwas klarer im Kopf. Kommst du?”
Carly stand auf, ohne seine Hand zu nehmen. Sie beschäftigte sich angelegentlich mit dem Bademantel, um ihren Widerwillen, körperlichen Kontakt mit Nick zu haben, zu verbergen. Wenn er ihr Zögern bemerkte, so zeigte er es nicht. Stattdessen ging er zur Glasschiebetür neben dem Kühlschrank, öffnete sie und trat dann zur Seite.
Carly ging hinaus auf den kleinen betonierten Balkon, der ungefähr viereinhalb Meter breit und damit groß genug war, um einen kleinen Kaffeehaustisch, zwei gusseiserne Stühle und eine gepolsterte Liege zu beherbergen.
Der Tag war warm, und es wehte eine leichte Brise. Von irgendwoher zog der Duft von gebratenen Zwiebeln herüber. In der Ferne drang Hip-Hop-Musik aus einem Radio. Und den Meeresblick gab es tatsächlich. Natürlich war ihr Blick verschwommen, denn ihr fehlte die Brille. Aber sie konnte die große Weite des blassblauen Himmels mit den weißen Wolken sehen, und weiße Flecken in der Ferne, die sie für Segel hielt.
“Möchtest du dich hinlegen?” Nick wies auf den Liegestuhl.
“Nein, danke.” Carly hockte sich auf einen der gusseisernen Stühle. “Hier ist es bequemer.”
Sie hatte angenommen, dass Nick sich ihr gegenübersetzen würde, aber er lehnte sich mit dem Rücken an das Balkongitter, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte sie an. “Lass uns mit der Bar beginnen”, schlug er vor. “Ich sage dir, woran ich mich erinnere, und du sagst mir, ob du dich auch daran erinnerst. Du bist gegen Mitternacht aufgetaucht und hast dich auf einen Barhocker gesetzt. Irgend so ein Kerl hat dich angebaggert, so ‘n Typ mit Bierbauch und Bart …”
“… und verschwitzten Händen.” Carly schüttelte sich. “Daran erinnere ich mich. Er war grauenhaft. Ich hatte das Gefühl, als würde ich von einem Mädchenhändler taxiert.”
“Und genau da erschien ich als Retter in der Not”, spöttelte er.
Sie sah zu ihm auf und musterte ihn. “Ja. Ich erinnere mich an dein Gesicht, wie es aus der Verschwommenheit auftauchte und näher kam.”
Nick stützte die Hände auf das Balkongeländer. “Du bist kurzsichtig, nicht?”
“Ja. Ich kann dich sehen, aber alles hinter dir ist verschwommen.”
“Warum trägst du keine Brille?”
“Tue ich doch. Aber ich weiß nicht, wo sie ist.”
“Ach so. Du trägst sie also nicht aus Eitelkeit nicht. Hattest du sie auf, als du mit Richard beim Abendessen warst?”
“Ja. Ich trage meine Brille immer. Und ich bin kein bisschen eitel”, verteidigte sie sich.
“Schon gut. Wir haben uns an der Bar unterhalten. Du wolltest schlafen.”
“Ja, ich war so müde.” Carly rieb sich die Augenlider. “Würde es dir was ausmachen, aus der Sonne zu gehen? Das Licht ist einfach zu hell.”
“Oh.
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