Tiffany Duo Band 0124
inneren Auge auf: Der Mann aus der Zeitung liegt auf einem Holzboden. Die Hälfte seines Kopfes fehlt, die Blutlache um ihn herum wird immer größer.
3. KAPITEL
Carly hatte das Gefühl, sich nicht länger beherrschen zu können und gleich laut aufschreien zu müssen.
Ein Toter! Sie hatte einen Toten gesehen.
Oder doch nicht? Hatte sie vielleicht als Folge der Drogen, die ihr verabreicht worden waren, Halluzinationen? Liebend gern hätte sie daran geglaubt, doch ihr Verstand und ihr Gefühl sagten ihr, dass das Bild in ihrem Kopf einfach zu real war, zu detailliert. Irgendwie, irgendwann hatte sie diesen Mann, diesen Pete Demeter gesehen, und zwar tot, in einer Blutlache.
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Wenn sie diesen Mann tatsächlich tot in seinem eigenen Blut liegend gesehen hatte, dann muss sie dort gewesen sein, entweder, als er umgebracht wurde, oder kurz danach. Sie nahm die Zeitung wieder auf und las den Rest des Artikels aufmerksam durch. Pete Demeter war kurz nach Mitternacht auf seiner Jacht gefunden worden. Der Eigner des Nachbarschiffes hatte Schüsse gehört und die Polizei alarmiert.
Nick hatte Carly erzählt, dass sie gegen Mitternacht in die Bar gekommen sei. Also musste sie auf dieser Jacht gewesen sein, am Schauplatz des Verbrechens, bevor sie in der Bar erschienen war. Warum und weshalb, das wusste sie nicht. Sosehr sie sich auch bemühte, es kamen ihr keine weiteren Bilder. Sie und Richard beim Abendessen, Freitagnacht, danach nichts, bis spät in der Nacht am Samstag das Bild eines ermordeten Mannes vor ihrem inneren Auge erscheint.
Und danach hatte sie mit einem ihr völlig fremden Mann geschlafen. Fast hätte sie laut gelacht, riss sich aber zusammen. Und ich habe mir immer gewünscht, dass mir irgendetwas Interessantes widerfahren würde, dachte sie trocken. Ihr Wunsch war in Erfüllung gegangen, und wie.
Sie las den Artikel noch einmal durch, aber es waren keine weiteren Einzelheiten erwähnt. Wenn sie auf dem Schiff gewesen war, dann hatte sie bestimmt Spuren hinterlassen. Würde man ihre Fingerabdrücke finden? Ihre Handtasche? Ihre Brille? Vielleicht sogar ihre Kleidung, das Kostüm, das sie zum Abendessen mit Richard getragen hatte?
Wo war Richard? Er hatte sie nicht zurückgerufen. War er an dieser Sache beteiligt? Sein Leben glich einer ständigen Katastrophe. Worin mochte er jetzt nur wieder verwickelt sein?
Wer hatte Pete Demeter ermordet? Sie nicht, das wusste Carly. Aber woher wusste sie das?
Ihr Verstand, ihr ganzes Wesen, rebellierte gegen die Vorstellung, jemanden zu erschießen. Sie konnte keiner Fliege etwas zu Leide tun. Aber dann hätte sie es auch nie für möglich gehalten, dass sie mit einem Fremden ins Bett gehen würde.
Sie brauchte mehr Informationen. Sie schnippte mit den Fingern. Natürlich. Das Fernsehen. Auf der anderen Seite des Zimmers stand ein Fernsehapparat. Sie würde sich einfach die Nachrichten ansehen.
Sie wollte gerade aufstehen, um den Fernseher einzuschalten, als sie hörte, wie das Wasser im Badezimmer abgestellt wurde. Wie hatte sie das vergessen können! Sie befand sich in Nicks Wohnung. Nick, der gesagt hatte, dass er ihr helfen würde, alles zu klären.
Nick, der Polizist war.
Nick, der gleich aus dem Badezimmer kommen würde, angezogen und bereit, sie aufs Polizeirevier zu begleiten. Wenn sie ihm erzählte, woran sie sich gerade erinnert hatte, wäre sie erledigt. Er würde sie bestimmt mit ganz anderen Augen sehen, nicht mehr als das Mädchen mit einer Gedächtnislücke, sondern als jemanden, der in einen Mord verwickelt war. Bestimmt würde er ihr nicht mehr helfen, sondern sie sofort der Polizei übergeben wollen. Das wäre seine Pflicht.
Ich muss verschwinden, dachte sie, und zwar sofort.
Wie von Dämonen gejagt, sprang Carly auf und eilte zur Haustür, blieb jedoch auf halbem Wege wie angewurzelt stehen. Geld! Sie würde Geld brauchen. Sie lief ins Schlafzimmer, sah auf der Kommode nach, dann auf Nicks Nachtschrank. Männer nahmen immer die Sachen aus den Taschen, bevor sie sich die Hose auszogen.
Und richtig, da lag alles. Brieftasche, Schlüssel und Geld. Sie nahm einige Geldscheine und etwas Wechselgeld, wickelte das Ganze in die Serviette ein, die neben der Lampe lag, und nahm sich dann etwas widerstrebend eine von Nicks Kreditkarten aus seiner Brieftasche. Sie steckte alles in die Tasche ihres Sweatshirts und schrieb eine kurze Nachricht für Nick auf den Block. “Nick, es tut mir leid, ich werde dir alles
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