Tiffany Duo Band 0124
sie ihm in die Augen. “Er war Polizeichef.”
Nick kam sich vor, als hätte er einen K.-o.-Schlag erhalten. “Du meine Güte!”
Carly nickte. Dann bezog sie ein Kopfkissen und erzählte. “Er hatte das absolute Sagen über die Gesetzesvollstreckung. Zehn Polizeibeamte waren ihm unterstellt. Nein, es gab niemanden, mit dem ich darüber hätte reden können.”
“Wo war deine Mutter bei alledem?”
Carly lächelte gedankenverloren. “Sie nahm uns das Versprechen ab, dass wir es niemandem erzählten. Es sollte unser Geheimnis sein. Sie sagte, sie würde sich vor allen Leuten in der Stadt schämen. Also ging das so weiter, bis …”, sie lachte trocken, “… das Schicksal sich einschaltete und die beiden bei einem Autounfall ums Leben kamen.”
Nick fragte sich, wie viel ein Mensch wohl durchmachen musste, und empfand ein tiefes Mitgefühl für Carly. “Also, das erklärt auf jeden Fall, wieso du nicht gerade begeistert warst, als ich dir sagte, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene.”
Plötzlich gähnte sie. “Ich glaube, ich muss dringend schlafen.”
Sie war völlig erschöpft, das war offensichtlich. “Komm!” Er nahm sie bei der Hand und führte sie in sein Schlafzimmer, aber sie blieb an der Tür stehen.
“Ich schlafe auf dem Sofa”, sagte sie.
“Nein, nimm mein Bett.”
“Nick, es war mir ernst. Heute bin ich an der Reihe mit dem Sofa.”
Seit Stunden hatte Carly verzweifelt versucht einzuschlafen. Sie war so müde, dennoch kam sie nicht zur Ruhe. Vielleicht war das kurze Nickerchen nach dem Essen daran schuld, vielleicht hatte sie auch einfach Angst vor ihren Träumen.
Sie starrte blicklos in die Dunkelheit, dann rieb sie sich die Augen und streckte die Hand aus, um das Licht anzuknipsen. Mitten in der Bewegung hielt sie inne. Nicks Schlafzimmertür stand offen. Das Licht könnte ihn stören. Sie stand auf. Was trug sie denn nur? Ach ja, ein Unterhemd von Nick, sonst nichts. Denn sie hatte nichts anderes. Wieso hatte sie bloß nicht irgendetwas eingekauft, als sie den ganzen Tag in der Stadt herumgeschlendert war? Wenigstens Höschen und BH.
Sie wickelte sich in die Decke und ging zu Nicks Schlafzimmertür. Im Mondlicht, das durch die Vorhänge schien, konnte sie Nick schwach sehen. Er lag auf dem Bauch, hatte die Decke abgeworfen und trug nur einen Slip.
Er war ein ungewöhnlicher Mann. Inzwischen wusste sie, dass er in vielerlei Hinsicht ungeduldig und auch hart sein konnte und dennoch hin und wieder überraschend sanft. Sie spürte ein quälendes Verlangen danach, ihm nahe zu sein, sich zu ihm zu legen und diese gebräunte Haut, diese festen Muskeln zu streicheln.
Aber er hatte die Bedingungen festgelegt, und er hatte Recht, das wusste sie. Jetzt lag es an ihr.
Es wäre wirklich schön, wenn sie die Frau wäre, die sich zu einem schlafenden Mann legte und ihn mit Zärtlichkeiten weckte und ihn verführte. Doch trotz des gegenteiligen Beweises Samstagnacht war sie sicher, dass sie nicht zu diesen Frauen gehörte.
Behutsam, um kein Geräusch zu machen, schloss sie die Schlafzimmertür. Dann knipste sie die Sofalampe an und sah sich nach etwas Lesbarem um. Doch außer einer Vierteljahreszeitschrift für Gesetzesvollstrecker und einem Sportmagazin fand sie nur noch einige Taschenbücher, deren Titel sie nicht sehr interessierten.
Das Zimmer war so kahl. Würde sie hier wohnen, würde sie mehr Farbe hineinbringen. Kissen, einen gewebten Wandteppich. Ich sollte gar nicht erst anfangen, wies sie sich zurecht. Das hier ist Nicks Wohnung, hier habe ich gar nichts zu dekorieren.
Carly schüttelte den Kopf, irgendwie verärgert mit sich. Dann schaltete sie den Fernseher ein, stellte den Ton leise und versuchte, ein interessantes Programm zu finden. Sie saß im Schneidersitz ganz dicht vor dem Gerät, um die Bilder erkennen zu können. Sie hoffte inständig, dass etwas über den Mord an Demeter gebracht würde.
Nach etwa fünfzehn Minuten machte sich ihre Geduld bezahlt. In den Nachrichten wurden Bilder der Jacht gezeigt, dann der mit Blut befleckte Boden. Carly wurde ganz elend bei dem Anblick. Ja, es war genau derselbe Raum wie der, den sie in ihrer Rückblende gesehen hatte. Da waren dieselben kleinen Fenster im Hintergrund, der weiße Holzboden und rechts eine Hängematte aus kariertem Stoff.
Die Kamera schwenkte auf einen allein stehenden hölzernen Sessel auf einem Podium mitten im Raum, ihm gegenüber ein großer Blutfleck. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie in diesem
Weitere Kostenlose Bücher