Tiffany Duo Band 0124
klar, dass sie das laut gesagt hatte. Seine Nähe war beruhigend, wärmte nicht nur ihren Körper, sondern auch ihre Seele.
“Erzähl mir alles”, flüsterte Nick.
Ein Teil von ihr wollte genau das tun, wollte ihn um Hilfe bitten. Schließlich war er ein guter Mann, er war kein brutaler Polizist, wie es ihr Vater gewesen war. So viel Fürsorge, wie er ihr gezeigt hatte, war sie von Männern nicht gewöhnt.
“Was ist aus Richard geworden?” Dass sie diese Frage laut gestellt hatte, wurde ihr erst klar, als Nick neben ihr erstarrte.
“Erzähl mir nicht, dass du dir um ihn Sorgen machst.”
“Nur, weil er auf …” Nein, sie konnte nicht weitersprechen. Nick würde sie zur Polizei bringen, man würde sie festnehmen und in eine Zelle sperren. Es gab kein Entkommen.
Plötzlich war sie wieder sechs Jahre alt, saß mit ihren Eltern und ihrer Schwester beim Abendessen. Ihr Vater lächelte, seine Augen blitzten auf Grund seines neuesten Triumphes. Auf dem Revier waren Unterlagen verschwunden, die die Unschuld des Mannes, den sie in Gewahrsam hatten, belegen könnten. Sie hatten ihn mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu einem Geständnis gezwungen, und jetzt würde er für etwas sitzen, was er überhaupt nicht getan hatte. Aber dieser Mann war sowieso ein Versager, hatte ihr Vater gesagt, also war das völlig in Ordnung. “
Warum versuchen, einen Vogel im Gebüsch zu fangen”
, hatte er lachend erzählt, “
wenn wir doch schon einen in der Hand halten.”
Das wäre seiner Meinung nach vergeudete Energie gewesen.
Angst erfasste Carly. Sie würde eingesperrt werden. Wieder. Würde Nina bei ihr sein? Sie war doch so klein. Jemand anders würde den Schlüssel haben, und sie würde nicht rauskommen. Diesmal würde sie sterben.
Nein! Aufhören!
Ihr erschöpfter Verstand gebot ihr Einhalt. Sie war nicht mehr sechs Jahre alt. Sie war erwachsen. Und sie wollte es Nick sagen, aber das ging nicht. Also sagte sie lieber gar nichts, sondern legte sich wieder hin und wandte sich von ihm ab.
Sie spürte, wie er sich neben sie legte und sie mit den Armen umfing.
Erst wollte sie sich ihm entziehen, aber dann schmiegte sie sich doch dankbar an ihn. “Es geht mir jetzt wieder gut”, murmelte sie schläfrig. “Wirklich. Es war bloß ein Traum.”
“Gut. Schlaf du nur. Ich verlasse dich nicht.”
Ohdoch, das würde er tun. Sie hatte einfach zu viele Geheimnisse. Es gab so viele Fragen, so viel war ungeklärt, aber sie konnte jetzt nicht mehr denken, sie war zu erschöpft. Und dann schlief sie.
Montagmorgen
Carly wachte nach Atem ringend, in Angstschweiß gebadet, auf. Sie saß in der Falle, war eine Gefangene. Sie bekam keine Luft mehr.
Das Gewicht, das sie schier zu erdrücken schien, verlagerte sich ein wenig, und Carly kam in die Wirklichkeit zurück. Nick, der neben ihr auf dem Sofa lag, nahm ihr die Bewegungsfreiheit. Ihre Nervosität verebbte, und sie lächelte sogar. Sie brauchte keine Angst zu haben. Nick war bei ihr. Und sie hatte keine Luft gekriegt, weil sie das Gesicht in die Rückseite des Sofas gedrückt hatte. Sie atmete ganz tief, lag vollkommen still und wartete, bis ihr Herz wieder normal schlug.
Gestern Abend hatte sie sich an so viel mehr erinnert, ganz besonders daran, dass sie niemanden getötet hatte, und die Erleichterung, die sie dabei empfunden hatte, war unbeschreiblich.
Aber jetzt war nicht die Zeit, passiv zu sein. Sie musste sich aktiv darum kümmern, das Rätsel zu lösen. Vorsichtig wollte sie aufstehen, um ins Badezimmer zu gehen. Auf gar keinen Fall wollte sie Nick wecken, aber es ging nicht anders.
“Nick?”
“Hmm?”
“Rückst du mal ein bisschen?”
Als Antwort legte er ihr die Hand besitzergreifend auf die Brust. “Es ist noch zu früh”, murmelte er und streichelte sie verschlafen. Carly spürte erstaunt seine heftige Erregung. Sogar im Schlaf begehrte er sie.
“Nick.” Carly schob seine Hand fort. “Ich muss aufstehen.”
Plötzlich war Nick nicht mehr neben ihr. Sie hörte einen Plumps und Nick fluchen. Jetzt hatte sie Platz, sich umzudrehen, und da saß Nick auf dem Boden, zwischen Sofa und Couchtisch. Er rieb sich den Hinterkopf und warf ihr einen verschlafenen, verwirrten Blick zu. “Was ist passiert?”
Sie musste lachen. Er sah gekränkt aus, die Haare völlig zerzaust, die Augen noch schwer vom Schlaf.
“Hast du dir wehgetan? Du bist vom Sofa gefallen.”
“Zum Teufel mit mir. Wie geht es dir? Du hattest eine ziemlich schwere Nacht.”
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