Tiffany Duo Band 0133
sie aus dem Bett und entdeckte erst jetzt die Reisetasche, die unmittelbar neben der Zimmertür stand. Sie brauchte nicht lange zu überlegen, wie die Tasche hierher gekommen war. Nick hatte ihre Familie verständigt, dass es ihr gut ginge, und jemand hatte ihr die Sachen gebracht. Er war solch ein netter Mann, so aufmerksam und fürsorglich. Sie konnte sich glücklich schätzen, ihn zum Freund zu haben.
Merrys Augen füllten sich erneut mit Tränen. Nein! forderte sie sich energisch auf. Sie würde nicht weinen. Nicht schon wieder. Thomas war ohne ein Wort der Entschuldigung oder der Erklärung gegangen. Sie musste den Schmerz überwinden, der wie eine offene Wunde in ihrem Herzen brannte. Weinen verschlimmerte alles nur.
Vor allem musste sie sich auf den heutigen Tag konzentrieren und ihn irgendwie überstehen. Morgen würde sie an ihre Arbeit zurückkehren und die Vergangenheit aus ihrem Gedächtnis verbannen. Mit ein bisschen Glück konnte sie sogar vergessen, dass sie Thomas Cooper jemals gekannt oder sich gar in ihn verliebt hatte.
Die Frau, die zwanzig Minuten später das Gästezimmer verließ, hatte wenig Ähnlichkeit mit dem weiblichen Wesen, das gestern Abend restlos zusammengebrochen war. Merry trug ein mintgrünes Kleid und flache Sandaletten. Sie hatte ihr dunkles Haar zu einem schlichten Knoten geschlungen und nur ganz wenig Make-up aufgelegt – Mascara, Rouge und Lipgloss.
Sie hatte keine Ahnung, was Nick bei ihrem Anblick empfand. Er saß in der Küche, trank Kaffee und hätte sich beinahe verschluckt. Merry war die erstaunlichste Frau der Welt. Er kannte sie von Kindesbeinen an und hatte sie in guten und in schlechten Zeiten erlebt. Trotzdem raubte sie ihm immer noch den Atem, sobald sie ein Zimmer betrat. Es lag nicht an ihrem hübschen Äußeren. Merry war von einer inneren Schönheit, die unmittelbar aus ihrem Herzen kam, und besaß eine weibliche Ausstrahlung, die man nicht erlernen konnte.
Gern hätte er ihr versichert, dass Thomas ein Dummkopf war. Dass man eine ganze Armee gebraucht hätte, um ihn, Nick, wegzuzerren, wenn sie vor der Kirche auf ihn wartete. Doch er brachte es nicht fertig, denn er wollte sie nicht erneut an Thomas erinnern.
Deshalb schluckte er den Kaffee hinunter, der in seinem Hals stecken zu bleiben drohte, und sagte: “Guten Morgen, Merry. Hast du gut geschlafen?”
“Besser, als ich erwartet hatte”, gab sie ehrlich zu, während er ihr eine Tasse Kaffee reichte. “Besonders nach meinem Verhalten am See.” Ihre Wangen röteten sich, und sie widerstand dem Bedürfnis, die Augen niederzuschlagen. “Wofür soll ich mich als Erstes entschuldigen? Dass ich mich vor dir ausgezogen habe oder dass ich mir an deiner Brust die Augen ausgeheult habe?”
Sie sah so zerknirscht aus, dass Nick unwillkürlich lachen musste. “Wenn ich mich richtig erinnere, trugst du mit sechzehn einen Bikini, der erheblich mehr Haut zeigte als dein Slip und dein BH gestern Abend. Mach dir deswegen also keine Sorgen. Und was sind schon ein paar Tränen unter Freunden? Nach allem, was du durchgemacht hattest, standen sie dir wirklich zu.”
Nick wollte sie aufheitern. Doch kaum waren seine Worte heraus, füllten sich ihre Augen erneut mit Tränen. “Verdammt”, schimpfte er. “Jetzt habe ich dich schon wieder zum Weinen gebracht. Tut mir leid, Merry. Ich hätte das nicht sagen sollen.”
“Dich trifft keine Schuld”, schluchzte sie und wischte die Tränen fort, bevor sie ihre Wimperntusche auflösen konnten. “Es liegt an mir. Dabei hatte ich mir fest vorgenommen, nicht zu weinen. Ich kann diese Heulerei nicht ausstehen!”
Nick konnte es an den Fingern einer Hand abzählen, wie selten er Merry all die Jahre hatte weinen sehen. Einmal, als sie sich mit acht Jahren den Arm gebrochen hatte, und dann erneut, als ihr Hund von einem Ranchgehilfen überfahren worden war. Damals hatte sie beschlossen, Tierärztin zu werden. Nur beim Tod ihres Vaters war sie untröstlich gewesen. Inständig hatte er gehofft, sie nie wieder in diesem Zustand zu erleben. Aber gestern Abend war sie nahe daran gewesen.
“Es ist keine Schande, wenn man weint, Merry”, sagte Nick ruhig. “Das ist ganz natürlich. Du trauerst heftig.”
So hatte sie es noch nicht betrachtet. Aber Nick hatte recht. Sie trauerte um eine Beziehung, die gestorben war. “Ich komme mir so dumm vor”, schniefte sie. “So etwas passiert doch nicht aus heiterem Himmel. Es muss Anzeichen dafür gegeben haben, dass etwas nicht
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