Tiffany Duo Band 0142
vertreiben.
“Es ist nicht wirklich geschehen”, sagte sie leise und wusste doch, dass die Worte gelogen waren, denn es war etwas passiert.
Der Traum war intensiv gewesen, und ihre Gefühle dabei so real, dass sie sie noch immer erzittern ließen. Sie wurde von Blade heftig angezogen. Mehr noch, er faszinierte sie. Die Kraft dieser Faszination war beängstigend, weil sie noch nie eine körperliche Beziehung zu einem Mann gehabt hatte. Zu sehr war sie bislang damit beschäftigt gewesen zu überleben, um jemanden so nahe an sich heranzulassen.
Es war alles ganz einfach gewesen. Bis Blade gekommen war.
Anna überlegte. Möglicherweise hatte ihr Verstand einfach Blades Gesicht zu dem Geliebten ihrer Träume hinzugefügt. Doch sie verwarf diesen Gedanken schnell wieder. So klar der Augenblick des Erkennens auch gewesen war, überrascht hatte er sie nicht. Entsetzt vielleicht, aber nicht überrascht.
Auf irgendeine Weise, sie wusste nur nicht wie, war sie seit Jahren mit Blade psychisch verbunden.
Anna hatte immer gemeint, von den übersinnlichen Veranlagungen der Familie ihrer Mutter verschont geblieben zu sein und war sehr froh darüber gewesen. Das Einzige, was sie sich widerstrebend eingestehen musste, war eine gewisse Sensitivität gegenüber anderen Menschen. Sie konnte es nur damit erklären, dass die Instinkte, die jeder Mensch mehr oder weniger besaß, bei ihr einfach ausgeprägter waren. Wie eine Art besonders gutes Gehör. Sie war nicht einmal sicher, was genau sie fühlte. Am ehesten war es damit zu beschreiben, dass sie die Seele von jemandem
sah
. So hatte sie im Alter von sechs oder sieben Jahren erkannt, dass Henrys äußere Erscheinung eine andere war als seine innere. Er hatte ein Geheimnis. Damals hatte sie nicht verstanden, was das war. Sie hatte nur begriffen, dass sie sich von ihm fernhalten musste.
Vielleicht hatte de Rocheford sich so schnell gegen die kleine Anna gewandt, nachdem er ihre Mutter geheiratet hatte: Er hatte gewusst, dass sie ihn durchschaute. Er hatte sie gefürchtet. Und sie hatte seine Furcht gefühlt. Doch das nützte ihr nichts. Nie hatte sie jemand anders davon überzeugen können, dass Henry nicht der war, als der er sich ausgab.
Und jetzt wurde ihr auch klar, dass Blade schon immer der Mann ihrer Träume gewesen war. Ihr Ritter. Die Glut, die sie bei jeder seiner Berührungen empfunden hatte, war dieselbe wie in ihren Träumen. Sie hätte ihn sofort erkennen müssen, gleich gestern, als er sie aus diesem ekelhaften Becken gezogen hatte. Blade verströmte Lebenskraft und tränkte sie damit bei jeder Berührung. Ja, sie hatte als Kind richtig geurteilt, als sie meinte, dass Engelsflügel nicht zu ihm passten. Er war zu männlich, um ein Engel zu sein.
Blade Lombard war der heimliche Freund, nach dem sie gerufen hatte, der Ritter, den sie sich erdacht hatte, der Liebhaber, der sie in ihren Träumen heimsuchte.
Jede Berührung hätte ihr zeigen müssen, wer er war.
Jetzt fragte sie sich, ob er wusste, wer
sie
war.
Blade warf die zerwühlte Bettdecke zurück und ging zu den Balkontüren, öffnete sie weit und trat hinaus. Er war nackt, ihm war heiß, er war erregt. Und er war wütend.
Er hatte geträumt. Mit beiden Händen umklammerte er das eiserne Geländer und wartete, bis der Schmerz nachließ.
Anna Johnson.
Dann trat er zurück, fuhr sich mit den Händen durchs Haar und durchmaß mit langen Schritten den Balkon.
Gütige Mutter Gottes! Diesmal hatte die geheimnisvolle Frau im Traum ein Gesicht gehabt. Das von Anna.
Er ließ den Schock auf sich wirken, den Augenblick des Unglaubens und der Abwehr dessen, was nicht sein konnte. Nicht sein durfte.
Aber es stimmte. Nur das ergab einen Sinn.
Diese Gewissheit setzte sich in seinem Kopf fest wie das letzte Stück eines Puzzles, das ihn jahrelang gequält hatte. Er kannte die Haltung ihres Halses, die Rundung ihres Ohrs, ihre schmale Taille, die festen Brüste, so genau wie seinen eigenen Körper.
Sie war es.
Ihm war so heiß, als hätte er sich verbrannt, und er hatte so sehr geschwitzt, dass die Laken durchnässt waren. Noch immer war sein Verlangen so stark, dass er am liebsten gebrüllt hätte. Anna hatte unter ihm gelegen und auf ihn gewartet …
Eine weitere Glutwelle durchströmte ihn, verbunden mit einem Gefühl der Verlorenheit, und er überlegte, ob es wohl helfen könnte, mit der Faust gegen die Wand zu schlagen. Doch besser benutzte er seinen Kopf. Er hatte Anna in Reichweite gehabt, und er hatte sie
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