Tiffany Duo Band 0142
sie durfte das nicht annehmen, denn sie wollte weder ihn noch seine Familie in Gefahr bringen. “Danke”, sagte sie daher. “Aber ich muss gehen. Ich habe schon den Hauswirt benachrichtigt. Er hat bereits einen neuen Mieter.” Sie nahm den Ersatzschlüssel vom Haken neben der Tür und drückte ihn Tony in die Hand, ehe er etwas sagen konnte. “Schau dich noch mal in Ruhe um. Vielleicht kannst du oder deine Familie ja doch etwas gebrauchen.”
Tony hielt den Schlüssel fest. “Wir wollen deine Sachen nicht”, sagte er eigensinnig. “Ich sage Mike Bescheid, damit er deine Möbel für dich aufhebt, bis du sie abholen kannst. Wenn du Hilfe brauchst, ruf Mike im Spielsalon an. Er wird mich benachrichtigen.”
Sie musste ihm versprechen, Kontakt mit ihm zu halten. Tony schrieb ihr Mikes Nummer auf und bestand darauf, dass sie den Zettel vor seinen Augen in ihre Aktentasche legte. Dann küsste er sie zum Abschied und ging.
Wenig später war sie in der Wohnung fertig. Als sie ihren schweren Rucksack aufnahm, kamen ihr die Tränen. Sie wartete einen Moment, um sich an das Gewicht zu gewöhnen, und erschauerte, als das Kältegefühl wieder stärker wurde. Dann bückte sie sich, um die Aktentasche und den Umschlag für den Hauswirt zu nehmen, ehe sie die Tür hinter sich zuzog.
Gleich darauf stieg Anna in den Bus, setzte sich und sah aus dem Fenster, als der Bus ein letztes Mal an ihrer Wohnung vorbeifuhr. Erschrocken bemerkte sie, dass Blades Jeep vor ihrem Wohnblock geparkt wurde.
Er war ihr nachgefahren.
Vergessen waren Kälte, Müdigkeit und Schmerz. Sie drehte den Kopf und sah, wie er ausstieg, mit finsterer Miene, als wüsste er bereits, dass sie fort war. Plötzlich fühlte sie ein so heftiges Bedauern, dass sie die Faust vor den Mund pressen musste, um nicht zu weinen.
Sie wusste nicht, warum sie sich so fühlte. Es war verrückt. Sie war Blade dreimal in ihrem Leben begegnet – und einmal davon war mehr als zwanzig Jahre her, in ihrer Kindheit. Sie waren nur flüchtige Bekannte, die durch ungewöhnliche Umstände zueinander geführt worden waren. Mehr nicht.
Warum also fühlte sie jetzt eine größere Leere als vorhin, da sie ihre Wohnung verlassen hatte?
Blade wollte gerade die Hand heben, um an Annas Tür zu klopfen, da ging sie durch einen Windstoß von alleine auf.
Ein großer älterer Mann mit grauen Strähnen im schwarzen Haar stand in der Küche und packte Haushaltsgegenstände in einen Karton.
“Was machen Sie da?”, fragte Blade und trat ein. Er sah sich um und stellte fest, dass Annas Sachen noch da waren. “Wo ist Anna?”
“Sie ist fort.” Der Mann betrachtete ihn abschätzend. “Ich packe ihre Sachen, ehe der neue Mieter einzieht.”
“Sie sind Tony? Von oben?”
Der Mann sah nun weniger misstrauisch aus und nickte.
Blade entspannte sich ein wenig. “Sie hat mir von Ihnen erzählt. Wohin ist sie gegangen?”
Er zuckte die Achseln. “Ich denke, wenn sie gewollt hätte, dass Sie es wissen, hätte sie es Ihnen gesagt.”
Wenige Minuten später stand Blade neben seinem Jeep und unterdrückte das Bedürfnis, mit der Faust auf die Haube zu schlagen. Wäre er nur ein wenig früher gekommen, hätte er sie noch erwischt. Jetzt wusste er nicht, wo er nach ihr suchen sollte. Sie war ihm durch die Finger geschlüpft, und ein Frösteln durchlief ihn, wie es ihm früher manchmal bei Einsätzen ergangen war, von denen er wusste, dass sie gefährlich werden würden.
Er wusste nicht, in welchen Schwierigkeiten Anna steckte. Fest stand, sie verhielt sich wie eine Frau in Todesangst.
Sie brauchte ihn.
Verdammt, warum hatte sie nicht auf seine Hilfe vertraut?
6. KAPITEL
Anna betrat ihre neue Wohnung, stellte Taschen und den Rucksack auf den staubigen Boden, entrollte eine Schaumstoffmatte, die sie öfter benutzt hatte, als sie zählen konnte, legte den Schlafsack darauf, stieg aus den Schuhen und kroch hinein, zu müde für alles andere.
Ihr war so kalt!
Der Abschied war ihr schwerer gefallen, als sie gedacht hatte. Blade war ihr nachgekommen! Der Gedanke verursachte ihr gleichzeitig Freude und Trauer.
Er würde wütend sein, dass sie verschwunden war. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es viele Frauen gab, die ihn abwiesen. Obwohl sie bezweifelte, dass er noch lange an sie denken würde.
Bei diesem Gedanken öffnete sie die Augen und sah zum Fenster. Es war ein klarer Abend, die Sterne funkelten am Himmel, ein schöner Anblick, doch er vermochte nicht ihre Einsamkeit zu
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