Tiffany Duo Band 0142
dieser Zweifel und um jeden Verdacht zu zerstreuen, war Henry gezwungen gewesen, die maximale Wartezeit auszuhalten, die das Gesetz vorschrieb: sieben Jahre. Wenn er versucht hätte, sie für tot erklären zu lassen, gleich nachdem man ihr Auto gefunden hatte, halb zerquetscht, am Fuße der Klippe, hätte es Verdacht erregt, denn nur wenige Monate vorher war sie bei der Polizei gewesen, nach einem so genannten Unfall, bei dem sie um ein Haar überfahren worden wäre. Auch wenn nichts bewiesen werden konnte, wäre Henrys Interesse an ihrem Tod unverkennbar gewesen.
Doch jetzt würde Henrys Wunsch, sie vor dem Gesetz für tot erklären zu lassen, keinen Verdacht mehr erregen. Immerhin war Anna Tarrant seit dem Klippenunfall nicht mehr aufgetaucht. Henry hatte die notwendige Zeit gewartet, hatte
Tarrant Holdings
seit Jahren gemanagt, die Firma gehörte praktisch schon ihm. Die gesetzlichen Abläufe würden kaum jemanden in der Geschäftswelt interessieren.
Anna öffnete ihre Aktentasche und zog einen Ordner mit Zeitungsausschnitten heraus, viele davon waren bereits vergilbt, so alt waren sie. Einige berichteten von unbestätigten Aussagen von Zeugen, die die Tarrant-Erbin gesehen haben wollten. Anna atmete tief durch. Es stand ihr ein Kampf bevor, eine Schlacht um ihr Leben. Aber damit würde sie fertig werden.
Blade ging die Treppen zur Bibliothek hinauf und blieb kurz stehen, um eine Gruppe von Studenten vorbeizulassen. Mit Hilfe der Familie Fa’alau und einer Sicherheitsfirma, die er engagiert hatte, hatte er in jeder Bibliothek in der Stadt gesucht. Und es hatte sich ausgezahlt.
Er war ungeduldig, er musste sich sehr beherrschen. Aber es quälte ihn, dass Anna ihm davongelaufen war.
Was Frauen betraf, so war er verwöhnt, das wusste er. Er hatte die Aufmerksamkeit der Frauen immer genossen. Vielleicht war das keine Entschuldigung für die Enttäuschung, die er empfand, aber er war es eben gewohnt, dass Frauen ihm nach- und nicht vor ihm davonliefen. Doch es war mehr als verletzte Eitelkeit. Dass die Frau, von der er sein halbes Leben lang geträumt hatte, von der er seit Jahren besessen war, ohne einen Blick zurück davongegangen war, als wäre er nichts weiter als ein flüchtiger Bekannter, trieb ihn fast in den Wahnsinn.
Blade entdeckte Anna, kaum dass er den Lesesaal betreten hatte – und sie sah ihn.
Sie machte große Augen – genau die Reaktion, die er an Frauen so schätzte. Doch das war auch schon die einzige Gemeinsamkeit. Denn Anna sprang sofort auf und begann, Papiere in ihre Tasche zu stopfen.
Ungläubige Wut erfüllte Blade, als er sah, wie sie die Tasche schloss und hinter den Regalen verschwand. Selbst jetzt lief sie noch vor ihm davon!
Es fiel ihm nicht schwer, sie einzuholen, in welche Richtung sie auch lief, sie musste an ihm vorbei zum Haupteingang. Er erwischte sie, als sie versuchte, durch einen anderen Gang zu fliehen. Er packte sie am Oberarm und hielt sie fest. Die Berührung ließ ihn erschauern. Sie trug denselben Regenmantel wie in der ersten Nacht, aber das schien keine Rolle zu spielen. Was auch immer die Anziehung zwischen ihnen verursachen mochte – sie konnte einen Kartoffelsack tragen und würde ihn dennoch erregen.
Diesmal versuchte sie nicht, ihn zu schlagen oder nach ihm zu treten. Stattdessen hielt sie ganz still und flüsterte nur: “Lass mich in Ruhe.”
Dann zog sie an ihrem Arm, Blade ließ sie los und sie taumelte zurück. Die Aktentasche, die sie unter den Arm geklemmt hatte, ging auf, und Papiere flatterten zu Boden.
“Oh nein.” Sie bückte sich, um die Blätter aufzuheben.
Blade hockte sich hin, um ihr zu helfen. Er nahm eine Handvoll alter vergilbter Zeitungsausschnitte hoch.
Schnell entriss sie sie ihm. “Wie hast du mich gefunden?”
Verwundert sah er zu, wie sie fast schon hektisch die Blätter in die Tasche stopfte. “Tony hat gesagt, dass du dich oft in Bibliotheken aufhältst.”
“Tony würde nie irgendwem sagen …”
Blade kniff ärgerlich die Augen zusammen. “Er hat es nicht ‘irgendwem’ gesagt.” Er holte tief Luft und stellte verwundert fest, dass er nervös war. “Er hat es mir gesagt, weil er mir vertraut.”
Annas Miene drückte aus, dass Tony der größte Narr unter der Sonne sein musste. “Woher wusstest du, dass ich in dieser Bibliothek bin?”
“Ich habe sie alle beobachten lassen.”
Er sah, wie sie große Augen machte, als sie begriff, welchen Aufwand er getrieben hatte, um sie zu finden. “Anna”, sagte er
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