Tiffany Duo Band 0162
derart verkorksten Vergangenheit könnte an etwas so Gutem festhalten.
Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und zwang sich, sich wieder auf seine Arbeit zu konzentrieren. Er hatte nicht mehr viel Zeit – er würde sich bald auf den Weg machen müssen, wenn er es heute noch bis nach Salt Lake City schaffen wollte, um Sylvester im Krankenhaus zu verhören.
Plötzlich summte sein Telefon, und gleich darauf knirschte Lous raue Stimme durch die Gegensprechanlage: “Besuch für Sie, Boss.”
“Jetzt nicht, Lou. Ich habe zu tun. Sagen Sie einfach, dass ich nicht da bin.”
“Zu spät.” Seine kleine Schwester kam im Sturmschritt in sein Büro gefegt, mit wütend blitzenden blauen Augen und finsterem Gesicht.
“Du bist wirklich der größte Idiot, den die Welt jemals gesehen hat!”, fuhr sie ihn an. “Habe ich dir das eigentlich schon mal gesagt?”
13. Kapitel
Sie hatte das Gefühl, dass es ein sehr harter Tag werden würde. Der Unterricht hatte erst vor einer Stunde begonnen, und sie fühlte sich schon jetzt völlig ausgelaugt.
Vielleicht hätte sie ja doch versuchen sollen, für heute eine Vertretung zu finden. Nach den schrecklichen Ereignissen des Vortags und einer schlaflosen Nacht war sie sich nicht sicher, ob sie die Kraft hatte, mit ihren Schülern fertigzuwerden, die in Erwartung der Sommerferien besonders zapplig waren.
Andererseits hatte sie nur noch ein paar Tage mit ihrer Klasse und wollte keine Minute davon versäumen.
Im Augenblick hielt sich die Unruhe der Schüler in Grenzen, weil sie unter Janie Parkers Anleitung mit Wasserfarben malten, aber diese kurze Verschnaufpause würde wahrscheinlich nicht lange anhalten.
“Miss McKenzie?”
Als sie aufschaute, sah sie Corey, nervös von einem Fuß auf den anderen trippelnd, vor ihrem Pult stehen. Der Junge hatte ihr schon seit Unterrichtsbeginn immer wieder verstohlen Blicke zugeworfen.
Sie hatte gewusst, dass sie irgendwann mit ihm über das, was sein Vater ihnen beiden angetan hatte, sprechen musste, aber sie hatte ihn nicht drängen wollen. Sarah war sich sicher gewesen, dass Corey von selbst kommen würde, wenn er bereit war.
Und jetzt schien es soweit zu sein. “Na?”, fragte sie sanft.
Er schluckte schwer. “Ich … äh … ich hab Ihnen ein Bild gemalt.” Er hielt es hoch. “Ist aber noch nicht ganz trocken.”
“Danke, Corey!” Gerührt nahm sie es so vorsichtig entgegen wie einen lange ersehnten Preis, und das war es auch. “Das ist wirklich sehr hübsch.”
“Ich weiß, dass Sie Blumen und so Sachen mögen. Das sollen nämlich welche sein.”
Ihr ging das Herz über, und sie spürte, dass ihr heiße Tränen in die Augen schossen. “Ich sehe es. Du kannst sehr schön malen, Corey. Ich werde es einrahmen und bei mir zu Hause an die Wand hängen, dann bin ich immer in einem blühenden Garten. Sogar mitten im Winter.”
Er lächelte erfreut, aber sie sah, dass er immer noch besorgt war. Er stand einen Moment schweigend da und kaute auf seiner Unterlippe. Sie wartete geduldig, in der Gewissheit, dass er früher oder später mit dem, was er auf dem Herzen hatte, herauskommen würde.
“Es tut mir unheimlich leid wegen dem, was Ihnen passiert ist, Miss McKenzie”, platzte er schließlich heraus.
In seinen Augen standen Tränen. “Ich weiß, dass es meine Schuld ist, dass er Sie mitgenommen hat. Ich hätte es jemand sagen sollen, dass er wieder da ist. Er hat es mir verboten, aber ich hätte nicht auf ihn hören sollen. Wenn ich es erzählt hätte, wäre das alles bestimmt nicht passiert.”
Er schniefte, dann rollte eine Träne über seine sommersprossige Wange und noch eine und noch eine. Sarah konnte seinen Kummer nicht länger mit ansehen. Selbst den Tränen nahe, zog sie ihn an sich. “Schsch, nicht weinen, Schätzchen, es ist ja alles in Ordnung. Nichts davon war deine Schuld. Ich weiß, dass es nicht deine Schuld war.”
“Ich wollte ihn eigentlich nicht mehr sehen, aber er hat gesagt, dass ich auch ein Sylvester bin und dass ich mit ihm zusammensein muss. Ich hatte Angst, dass er meiner Mom etwas tut oder Maddie, wenn ich es nicht mache.”
“Ich weiß.”
Der Junge fuhr sich mit seinem Ärmel über die Augen, und Sarah reichte ihm ein Papiertaschentuch. “Und mögen Sie mich jetzt nicht mehr, weil ich so feige war und weil ich gelogen hab? Ich meine, weil ich doch wusste, dass Hob das Glas mit den Münzen weggenommen hat und wegen der Narbe auf meinem Rücken und allem.”
“Oh, Corey. Nein,
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