Tiffany Duo Band 0162
es gern. Ich bin mir sicher, dass sie ein paar Nächte oder länger bleiben kann, falls du es möchtest.”
Er fuhr in ihre Einfahrt, stellte den Motor ab, machte jedoch keine Anstalten auszusteigen. Sie sah die Falten, die sich von seinen Nasenflügeln zu seinen Mundwinkeln zogen, die Muskeln, die in seinem Kiefer zuckten, die Wildheit, die seine blauen Augen dunkel und undurchschaubar machte. Er wirkte wie ein Mann, der um Selbstbeherrschung ringt.
Sarah schluckte schwer und nahm all ihren Mut zusammen. Wenn sie einem Mann mit einer Pistole die Stirn bieten konnte, dann konnte sie es erst recht bei dem Mann, den sie liebte. “Jesse, was ist? Warum bist du so außer dir?”
Der Blick, den er ihr zuwarf, war so scharf wie ein Rasiermesser. “Was glaubst du wohl, warum? Du könntest jetzt tot sein!”
Sie holte tief und zitternd Atem, während sie sich an diese schlimmen Momente erinnerte, in denen sie geglaubt hatte, dass sie ihn nie wieder sehen würde. “Aber ich bin nicht tot. Ich habe überlebt, Jesse.”
“Nicht durch meine Hilfe. Ich hätte dich beschützen müssen. Es war mein Job.”
“Dein Job? Mehr nicht?”
Er antwortete nicht. Im schwachen Mondlicht sah sie, dass sich seine Kieferpartie wieder anspannte, aber er sagte nichts. Während sich das Schweigen endlos dahinzog, fragte sie sich, ob er hören konnte, wie ihr Herz zersprang.
Wie töricht sie doch gewesen war! Sie hatte sich etwas Dauerhaftes mit einem Mann zusammenfantasiert, der nicht einmal die Bedeutung des Wortes ‘dauerhaft’ kannte. Mit einem Mann, der wahrscheinlich allein aus Mitleid mit ihr geschlafen hatte, nur weil sie praktisch darum gebettelt hatte.
“Ich habe es mir anders überlegt”, sagte sie leise, während sie die Tür des Wagens öffnete. “Ich glaube nicht, dass ich heute noch irgendwelche Fragen beantworten möchte. Ich glaube, ich gehe jetzt lieber rein und schlafe.”
“Sarah …”
Sie schüttelte den Kopf.
Geh weg. Geh weg, bevor ich völlig zusammenbreche.
“Gute Nacht, Jess.”
Ihre bandagierte Hand fest auf ihr Herz gepresst, ging sie langsam in ihr Haus, wobei sie sich uralt und todmüde fühlte.
Manchmal war es wirklich deprimierend, nüchtern zu sein.
Im Augenblick jedenfalls hätte Jesse alles für einen ordentlichen Drink gegeben. Oder zwei oder drei oder zehn Drinks. Dabei war es erst halb neun Uhr morgens.
Ein tierischer Kopfschmerz presste seinen Kopf zusammen wie ein Müllkompressor. Das kam davon, wenn man vierundzwanzig Stunden nicht schlief und literweise Kaffee in sich hineinschüttete.
Die Worte auf dem Blatt vor ihm ergaben keinen Sinn und verschwammen zu einer einzigen schwarzen Masse, deshalb blinzelte er, um seinen Blick wieder scharf zu stellen. Es nützte nichts. Wie sollte er den notwendigen Papierkram für Hob Sylvesters Verhaftung erledigen, wenn er sich auf nichts anderes konzentrieren konnte als auf die bruchstückhaften quälenden Bilder vom Vorabend?
Die nackte Panik, die ihn ergriffen und ihm fast die Eingeweide zerfetzt hatte, als ihm nach einem Gespräch mit Corey klar geworden war, dass nur Hob Sylvester Sarah entführt haben konnte?
Diesen schrecklichen Moment, als er sie blutend und zitternd aus diesem vergammelten Pick-up gezerrt und in seine Arme genommen hatte.
Durch einen ausgerasteten Sylvester erfahren zu müssen, dass Jesse seiner Vergangenheit nicht entfliehen konnte, sondern dass sie Bestandteil seiner Gegenwart war! Er war schuld daran, dass Hob Sarah eine Hölle bereitet hatte, die er sich nicht einmal annähernd vorstellen konnte. Um sich an ihm für eine Dummheit zu rächen, die er, Jesse, vor sechzehn Jahren gemacht hatte, damals in diesen schrecklichen Monaten nach dem Tod seiner Eltern, als er weder auf andere noch auf sich selbst Rücksicht genommen hatte.
Doch das letzte Bild in seinem Kopf war das schlimmste – der tiefe Schmerz in Sarahs großen grünen Augen, kurz bevor sie sich von ihm abgewandt hatte und ins Haus gegangen war.
Er hatte ihr Schmerz zugefügt, in jeder Hinsicht. Sie hatte gestern Nacht etwas von ihm gebraucht, das er ihr nicht hatte geben können.
Er hatte es nicht absichtlich getan, aber es war wohl unvermeidlich gewesen. Früher oder später würde Sarah klar werden, dass sie etwas Besseres verdiente.
Seine süße Sarah.
Jesses Brust schmerzte plötzlich so stark, dass er kaum Luft holen konnte. Nicht seine. Sie war nie seine Sarah gewesen. Es war reine Selbsttäuschung gewesen zu glauben, ein Mann mit einer
Weitere Kostenlose Bücher