Tiffany Duo Band 0162
Gedanken fassen konnte, und sie hatte von Anfang an gewusst, dass sie es vermasseln würde.
In den vergangenen achtzehn Monaten hatte sie hart an sich gearbeitet, um die letzten Reste des Albtraums abzuschütteln, die ihr immer noch im Nacken saßen. Sie wollte fest daran glauben, dass sie fast wieder normal funktionierte, wobei sie ihre schlimmsten Panikattacken hinter einer dünnen Schicht Selbstbeherrschung verbarg.
Doch Jesse Harte schien aus irgendeinem Grund immer ein Loch in diese hauchdünne Wand ihrer mühsam aufrecht erhaltenen Fassade zu reißen, was sie entsetzlich nervös machte.
Obwohl es nicht direkt etwas mit ihm zu tun hatte. Jesse Harte war kein Mann, vor dem man Angst haben musste, zumindest glaubte sie das. Mit den beiden Mädchen ging er jedenfalls unheimlich lieb um. Irgendwie war es richtig süß zu beobachten, wie ein harter Cop zwei Zehnjährige so lange neckte, bis sie sich vor Kichern kaum mehr halten konnten.
Einen ganzen Monat lang hatte sie es immer wieder vor sich gesehen, wie er auf der Hochzeit seines Bruders abwechselnd mit den beiden Mädchen getanzt hatte, wobei er in seinem schwarzen Frack im Westernstil so unheimlich groß und zuverlässig und sehr männlich gewirkt hatte.
Das aber machte sie am nervösesten. Er war wirklich schrecklich groß, sodass er schon allein durch seine Statur und die Aura von Gefahr, die ihn umgab, einschüchternd wirkte.
Mit seinen glänzenden schwarzen Haaren, den strahlend blauen Augen und diesem schurkischen Lächeln zog Jesse Harte alle weiblichen Blicke in der Stadt auf sich. Wäre da auf seinem braunen Baumwollhemd nicht das Polizeiabzeichen gewesen, hätten durchaus Zweifel aufkommen können, auf welcher Seite des Gesetzes er stand. Ihm fehlten nur noch der buschige Schnauzbart und der tiefhängende Revolvergurt, dann wäre er ein perfektes Ebenbild des Gesetzlosen gewesen, von dem er seinen Namen hatte.
Sarah bekam schon das große Zittern, wenn er sie nur aus diesen blauen Augen anschaute, und sie hasste es. Aber sie wusste nicht, an wen sie sich sonst hätte wenden sollen. Sie musste ein Kind beschützen, und wenn das bedeutete, dass sie ihren eigenen Dämonen die Stirn bieten musste, würde sie sich eben dazu zwingen, koste es, was es wolle.
Abgesehen von ihrer Unsicherheit dem Polizeichef gegenüber machte die Tatsache, dass sie bei dem, was sie gerade tat, ihren Job aufs Spiel setzte, die Sache nicht leichter. Als sie mit Chuck Hendricks, dem Direktor der Schule, an der sie unterrichtete, über ihre Befürchtungen gesprochen hatte, hatte dieser ihr praktisch per Dienstanweisung untersagt, die Angelegenheit weiterzuverfolgen. Sie sähe Gespenster, hatte er angeführt, und sie würde sich nur selbst ohne Not in Schwierigkeiten bringen.
Seine Worte hatten sie auf grausige Weise an das erinnert, was in Chicago passiert war. Sie war gewarnt worden, sich in Dinge einzumischen, die sie nichts angingen. Aber sie hatte damals keine andere Wahl gehabt. Und das war auch heute nicht anders.
“Möchten Sie vielleicht ein Glas Wasser oder so?”
Sie blinzelte und merkte erst jetzt, dass der Polizeichef immer noch auf eine Erklärung von ihr wartete. “Nein. Nein, danke. Mir geht es gut.”
“Schön. Sind Sie jetzt bereit, mir nähere Einzelheiten zu erzählen?”
Sie holte tief Atem und begegnete zum ersten Mal Jesses Blick. “Mr Garretts Stiefsohn ist in meiner Klasse.”
“Corey Sylvester?”
“Offenbar kennen Sie ihn.”
Dieses verflixte Lächeln, das er ihr zuwarf, bewirkte, dass sie plötzlich ein seltsames Kribbeln im Bauch verspürte. “Wir sind hier in einer Kleinstadt, Miss McKenzie. Was hat Corey denn diesmal wieder angestellt?”
“Oh, nein! Er hat nichts gemacht.”
Er lachte trocken auf. “Na, das wäre ja das erste Mal.”
“Was wollen Sie damit sagen?”
“Nur, dass der Junge wahrlich kein unbeschriebenes Blatt ist.”
Jemand anders hätte sich vielleicht gefragt, wodurch ein zehnjähriger Junge wohl mit dem Gesetz in Konflikt kommen könnte. Sarah allerdings nicht. Sie hatte schon weit Schlimmeres gesehen als alles, woran Corey Sylvester überhaupt nur denken konnte. In Chicago dealten selbst Achtjährige schon mit Drogen, verkauften an Straßenecken ihren Körper oder brachten sich gegenseitig um.
Sie dachte an ein süßes Mädchen mit glänzenden Zöpfen und müden Augen, die schon viel zu viel gesehen hatten, und schob die Erinnerung schnell beiseite.
Hier waren sie auf dem Land in Wyoming, wo Kinder
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