Tiffany Duo Band 0162
Zusammenhang.”
“Viele Kinder haben Schwierigkeiten sich anzupassen, wenn sich die Eltern scheiden lassen und wieder heiraten. Das heißt noch lange nicht, dass sie misshandelt werden.”
Sie warf ihm einen bösen Blick zu, wobei sie sich fühlte, als ob sie wieder ins Hintertreffen geraten wäre. Warum nahm er das nicht ernst? Dasselbe hatte sie mit Direktor Hendricks vor mehr als einer Stunde schon einmal erlebt. Jetzt reichte es ihr wirklich mit der männlichen Seilschaft, die in Salt River die Fäden in der Hand zu halten schien. Sie zweifelte keine Sekunde daran, warum sie mit dem Kopf gegen eine Wand rannte. Niemand wollte das Boot ins Wanken bringen, vor allem nicht, wenn einflussreiche Leute an Bord waren.
“Interessiert Sie dieser Junge überhaupt? Oder ist er für Sie nur ein etwas zu jung geratener Kleinkrimineller?”
Jesse blinzelte angesichts ihrer plötzlichen Attacke. “Sicher interessiert er mich. Aber ich sehe mich beim besten Willen nicht in der Lage, einzig aufgrund von Spekulationen gegen den Bürgermeister eine Ermittlung anzustrengen.”
Spekulation? Sie hatte ihm hieb- und stichfeste Gründe genannt. Hatte er ihr überhaupt zugehört?
Sarah starrte ihn wütend an, wobei sie komplett vergaß, dass er sie eigentlich einschüchterte. “Sie meinen, Sie wollen den Bürgermeister nicht verärgern, indem Sie Ermittlungen gegen ihn einleiten. Sehe ich das richtig?”
Als er nichts sagte, verengte sie nachdenklich die Augen. “Das ist es, nicht wahr? Jetzt wird mir einiges klar. Für Sie ist es wichtiger, Ihren Job zu behalten, als einen kleinen Jungen zu beschützen.”
Sobald ihr die Worte entschlüpft waren, erkannte sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Einen Riesenfehler. Die blauen Augen des Polizeichefs wurden hart. Sein lässiger Charme löste sich in Luft auf und machte unverhohlener Verärgerung Platz.
“Seien Sie vorsichtig, Ma’am”, murmelte er.
Sie faltete ihre Hände fest in ihrem Schoß, weil sie wieder angefangen hatten zu zittern. Woher war dieser Ausbruch eben gekommen? Die alte Sarah hätte genau so etwas in der Art sagen können, sie hätte, wenn es nötig gewesen wäre, auch hundert Jesse Hartes niederstarren können. Aber diese Sarah gab es schon lange nicht mehr. Die verängstigte Maus, in die sie sich verwandelt hatte, hätte es niemals gewagt, einen Mann wie Jesse Harte zu provozieren.
Ein paar Überreste ihres früheren Selbst schienen offenbar die ganze Zeit in ihr überdauert zu haben. Sie entdeckte zu ihrem Erstaunen, dass sie nicht gewillt war, einfach wegzulaufen, nur weil der Mann gegenüber ihr – absichtlich oder nicht – drohte. Der kleine Corey verdiente es, jemanden an seiner Seite zu haben, der ihn beschützte.
Selbst wenn dieser Jemand nur eine verängstigte Frau war.
Sarah stand wieder auf. “Mr Harte, wenn Sie nicht bereit sind, der Sache nachzugehen, werde ich mich, wie ich schon sagte, an jemand anders wenden.”
Nach einem kurzen Zögern erhob Jesse sich ebenfalls. “Ich habe nicht gesagt, dass ich die Absicht habe, der Sache nicht nachzugehen. Ich werde selbstverständlich mit dem Jungen reden und auch mit Seth und Ginny. Aber ich muss gleich einschränkend hinzufügen, dass ich mir nicht allzu viel davon erhoffe. Fälle von Kindesmisshandlung sind oft schwer nachzuweisen, besonders wenn das Kind nicht kooperiert. Und so wie ich Corey kenne, tut er das ganz bestimmt nicht.”
“Bitte lassen Sie mich wissen, wie Ihre Ermittlungen ausgegangen sind.” Sie ging zur Tür.
“Oh, ich werde mich bei Ihnen melden, Miss McKenzie”, sagte der Polizeichef. “Da können Sie ganz sicher sein.”
Genau das hatte sie befürchtet.
2. KAPITEL
Es war fast sechs, als Jesse in Seth Garretts Einfahrt einbog. Er stieg aus seinem Geländewagen und schaute an dem zweistöckigen Haus hinauf.
Den Fenstern nach zu urteilen, die streifenfrei im goldenen Licht der Abendsonne glänzten, hatte da offenbar gerade jemand Frühjahrsputz gemacht. Das Haus strahlte eine Atmosphäre von Behaglichkeit und Eleganz aus, angefangen von dem penibel geschnittenen Rasen bis hin zu dem Katzenkopfpflaster auf dem Bürgersteig davor.
Das Haus hatte erst ein paar Jahre auf dem Buckel, es war jedoch ein ganzes Jahrhundert von dem heruntergekommenen Wohnwagen entfernt, in dem Ginny und Corey früher mit Hob Sylvester – Ginnys erstem Mann und Coreys Vater – gelebt hatten.
Damals war Jesse im County als Hilfssheriff angestellt gewesen, und er hatte es immer
Weitere Kostenlose Bücher