Tiffany Duo Band 0162
gehasst, wenn ihm wieder einmal die undankbare Aufgabe zugefallen war, einen ihrer häufigen Ehekräche zu schlichten. Er konnte sich noch genau an das fast mit Händen zu greifende Gefühl der Verzweiflung erinnern, das durch die dünnen nackten Wände gesickert war, und an seine frustrierenden Versuche, Ginny davon zu überzeugen, dieser unhaltbaren Situation ein Ende zu machen.
Nicht, dass sie es nicht versucht hätte, im Gegenteil! Das wusste er. Sie war öfter für ein paar Tage oder ein, zwei Wochen ausgezogen. Aber Hob, der früher auf der High School der Footballstar gewesen war, hatte immer noch genug Charme gehabt, um seine Frau dazu zu überreden, zurückzukommen.
Hob war nicht immer so gewesen wie gegen Ende ihrer Ehe, und vielleicht hatte es Ginny ja deshalb nicht geschafft, sich von ihm zu trennen. Früher hatte er eine Menge Ausstrahlung und eine große Portion lässigen Charme gehabt. Sein Traum war es immer gewesen, Profifootballspieler zu werden, aber irgendwie hatte es nicht geklappt. Irgendwas war schief gelaufen – Jesse wusste nicht genau, was – und nicht viel später war Ginny schwanger gewesen.
Jesse konnte sich vorstellen, dass Hob das nur als einen weiteren Schicksalsschlag betrachtet hatte. Trotzdem hatte er das Richtige getan und Ginny geheiratet, oder zumindest das, was von der Gesellschaft als das Richtige betrachtet wurde. Denn für Ginny war es mit Sicherheit nicht das Richtige gewesen. Die nächsten Jahre hatte Hob damit zugebracht, Unmengen zu trinken und seine Bitterkeit an ihr auszulassen.
Vor vielen Jahren war Jesse genauso gewesen. Es war ein Kapitel seines Lebens, an das er sich nur allzu ungern erinnerte, daran, wie er nach dem Tod seiner Eltern unzählige Nächte in Bars verbracht und versucht hatte, seine Schuldgefühle in Alkohol zu ertränken.
Jesse schob die Erinnerung beiseite. Es spielte jetzt keine Rolle mehr, Hob war fort. Das Letzte, was Jesse von ihm gehört hatte, war, dass er sich vor ungefähr vier Jahren mit einer Barfrau aus Idaho Falls nach Las Vegas davongemacht hatte.
Ginny war auf die Füße gefallen, so viel stand fest. Für sie hatte die Geschichte einen glücklichen Ausgang genommen. Sie hatte ihren Scheidungsanwalt geheiratet, der mittlerweile auch noch als Bürgermeister die Geschicke der Stadt lenkte, und lebte mit ihrem Sohn in einem der schicksten Häuser der Stadt, sie fuhr einen Range Rover und ließ ihr Geld in den Designerläden von Jackson Hole.
Jesse dachte an Sarah McKenzies Beschuldigungen. Jetzt konnte er nur hoffen, dass die scheue Lehrerin sich irrte. Ginny hatte nach allem, was sie durchgemacht hatte, dieses Happy End weiß Gott verdient.
Als er die Vordertreppe hinaufging, stieg ihm der betörende Geruch nach Frühling in die Nase – süßer Fliederduft, feuchte, nach Moschus riechende Erde und leckerer Bratenduft von einem Grill in der Nähe.
Salt River war seine Stadt, und er verspürte den leidenschaftlichen Drang, sie zu beschützen. Früher hatte er immer davon geträumt, rauszukommen. Heute sah er ein, wie töricht es gewesen war, zu glauben, dass das ruhige Kleinstadtleben etwas Erstickendes hatte. Obwohl es ihn gelegentlich immer noch danach dürstete, mehr zu leisten, als hin und wieder einen Strafzettel zu verteilen oder eine Kneipenrauferei zu schlichten, wusste er doch, dass er das, was er tat, den Menschen in seiner Stadt schuldig war.
Eine Schuld, die zurückzuzahlen er lange gebraucht hatte.
Davon abgesehen konnte er sich an einem schönen warmen Frühlingsabend wie heute gar nicht vorstellen, anderswo zu leben. Hier war es einfach perfekt, mit den Kindern, die am Ende der Straße übermütig auf dem großen Trampolin herumsprangen, den Leuten, die in ihren Gärten herumwerkelten oder auf ihrer Vorderveranda die Zeitung lasen, und den munter sprühenden Rasensprengern.
Wenn auch nicht ganz perfekt, wie er sich eingestehen musste. Da war immer noch Sarah McKenzies Verdacht, dem er nachzugehen hatte.
Er klingelte und musste nur ein paar Sekunden warten, bis Ginny öffnete.
Ihr Gesicht hatte sich noch immer den größten Teil der Schönheit erhalten, die ihr in der Schule den Titel der High-School-Königin eingetragen hatte. Es hellte sich bei seinem Anblick auf, aber eine Sekunde später machte sich Argwohn darauf breit. “Was hat Corey jetzt wieder ausgefressen?”, fragte sie resigniert.
“Nichts, zumindest soweit ich weiß. Ich bin wegen einer anderen Sache hier.”
“Oh. Aber Seth ist leider nicht
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