Tiffany Lieben & Lachen Band 0013 (German Edition)
nicht lesen kannst?”
Es versetzte ihm einen Schlag, sie das so deutlich aussprechen zu hören. Die Erinnerung an die angeekelte Miene seiner Mutter war sofort wieder da. Vor dieser Erinnerung lief er schon sein ganzes Leben lang davon. Es war Zeit, sich mit der Realität auseinanderzusetzen.
“Ja. Ich bin siebenundzwanzig Jahre alt und kann nicht mal eine Zeitung lesen. Oder ein Kreuzworträtsel lösen.” Seine Stimme brach fast, als er in Laurens schöne blaue Augen sah. “Oder der Frau, die ich anbete, einen Liebesbrief schreiben.”
“Und?”
Er schaute sie verwundert an. Machte es ihr etwa tatsächlich nichts aus? Konnte es sein, dass sie ihn trotzdem wollte? Doch die Angst, dass sie es nachher bereuen würde, bewirkte, dass er strenger zu ihr sprach, als er beabsichtigt hatte. Er packte sie bei den Schultern. “Was zum Teufel willst du hier, Lauren? Du verdienst etwas Besseres als mich.”
Ihre Augen blitzten. “Glaubst du vielleicht, das hier fällt mir leicht?”
Er ließ die Hände sinken. “Nein, natürlich nicht. Ich danke dir dafür, dass du versuchst, so zu tun, als bedeute es nichts.”
“Ich rede nicht von dir”, sagte sie und legte beide Hände auf seine Brust. “Falls du es nicht weißt: Ich bin nicht der Typ Frau, der normalerweise ein Fitnessstudio stürmt und einen Mann vor allen Leuten zu verführen versucht. Es hat mich allen Mut gekostet, den ich aufbringen konnte. Weißt du auch, weshalb ich es getan habe?”
Er schüttelte stumm den Kopf.
“Ich habe es getan, weil ich dich so sehr bewundere.”
“Aber …”
“Lass mich ausreden.” Sie holte tief Luft. “Als Philomena mir erzählte, dass du nicht lesen kannst, fiel es mir schwer, das zu glauben. Du bist einer der intelligentesten, kreativsten Menschen, die ich kenne. Daher habe ich einen meiner Professoren gebeten, seine Beziehungen spielen zu lassen, um eine Kopie deiner Beurteilung zu bekommen, die die Grundschule in New York angefertigt hat, als du nach Pittsburgh gezogen bist. Seltsamerweise ist das Zeugnis nie in Pittsburgh eingetroffen.”
Er ahnte, weshalb. Seine Mutter hatte es verhindert.
“In dieser Beurteilung steht, dass du mit elf Jahren positiv auf Dyslexie getestet worden bist.”
Er erstarrte. “Wie bitte?”
“Man hat dich ohne dein Wissen getestet und festgestellt, dass du an Dyslexie leidest. Das ist eine Sammelbezeichnung für Lesestörungen.”
“Davon habe ich schon mal gehört”, sagte er. In seinem Kopf rasten die Gedanken. Warum hatte ihm seine Mutter nie verraten, dass sein Problem einen Namen besaß? Weil sie die Schande von den Kanes fernhalten wollte. Vermutlich hatte man ihr nach dem Test vorgeschlagen, Sam zu speziellen Kursen zu schicken, um die Lernschwäche zu beheben.
Er erinnerte sich nur zu gut an ihre Worte: “Ich kann nicht glauben, dass einer meiner Söhne auf die Sonderschule muss! Ich habe ihnen mitgeteilt, dass sie sich irren müssen. Es kann nicht anders sein!”
“Es ist nicht zu spät, Sam”, riss Lauren ihn mit sanfter Stimme aus der Erinnerung an die Vergangenheit. “Du kannst immer noch lesen und schreiben lernen. Wenn du es willst.”
Er schluckte. “Wenn ich es will? Natürlich will ich! Glaubst du vielleicht, ich hätte es nie versucht?”
Sie streichelte zärtlich seinen Arm. “Es werden ständig neue Therapien entwickelt, um Dyslexie zu behandeln. Du brauchst einfach jemanden, der diese Therapien kennt und sie bei dir anwendet. Wenn einer es schaffen kann, dieses Problem zu überwinden, dann bist du es.”
“Woher weißt du das so sicher?”
Sie holte tief Atem. “Weil der Mann, den ich liebe, alles erreichen kann.”
Er starrte sie verblüfft an. Sein Herz klopfte wild. “Du liebst mich?”
“Ja”, hauchte sie. “Und damit du es weißt: Mich zu trauen, dir das zu sagen, geht fast über meine Kräfte. Du hast eine Lernschwäche in Bezug aufs Lesen. Aber ich glaube, ich habe eine Art von Knacks in Bezug auf Liebe. Ich hatte so viel Angst, mich je wieder in einen Mann zu verlieben. Allerdings möchte ich dich nicht zu irgendetwas drängen, Sam. Falls du mich nicht willst …”
Statt zu antworten, nahm Sam sie einfach in die Arme und küsste sie. Kurz darauf hob er noch einmal den Kopf und sah ihr in die Augen. “Ich will dich, Lauren. Ich will dich so sehr.”
Sie sah ihn mit großen Augen an. “Wirklich?”
Er hob sie schwungvoll auf die Arme. “Wirklich.”
Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken. Sam trug sie in sein
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