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Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger

Titel: Tiger, Tiger - Fragoso, M: Tiger, Tiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaux Fragoso
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Mommy fort und hätte fast Peters Namen genannt, spülte ihn jedoch schnell mit einem großen Schluck Hohes C herunter. Sie wusste, dass Poppa sich jedesmal aufregte, sobald von Peter die Rede war, nur über seine Lebensumstände war erlaubt zu sprechen. Poppa hatte Mommy gebeten, ihm zu beschreiben, wie »das Haus da« so war, und hatte gegrinst, als Mommy ihm von der Toilette erzählte, die man nicht immer abziehen konnte, von den Ameisen auf der Fensterbank und davon, dass Peter einmal gesagt hatte, der Großteil seiner Möbel stamme aus dem Sperrmüll vom Bürgersteig. Er hatte damit angegeben, es gebe nichts, das man nicht mit ein bisschen Klebstoff oder Spachtelmasse reparieren könne. Poppa freute sich, als er von der Spüle hörte, in der sich an manchen Tagen das schmutzige Geschirr stapelte, das nicht einmal richtig sauber gewischt war. »Der Gestank von diesen Tieren muss doch unerträglich sein«, hatte Poppa gesagt.
    Als Mommy den P-Laut von sich gab, kniff Poppa die Augen zusammen, sagte aber nichts.
    »Auf jeden Fall«, fuhr Mommy fort und wandte den Blick ab, »ist es so, wie Dr. Gurney gesagt hat: Das ist nicht von Dauer. Er hat es genau so gesagt: ›Kinder gewöhnen sich so etwas ab.‹ Und Margaux wird sich das Haaredrehen abgewöhnen.«
    »Abgewöhnen«, sagte Poppa nicht sehr laut, aber mit einer Ernsthaftigkeit, die nahelegte, dass er dieses eine Verb aus jedem erhältlichen Wörterbuch streichen würde, wenn er für die englische Sprache verantwortlich wäre. Als würde er dem anstößigen Wort eine Chance zur Wiedergutmachung geben, versuchte er dann, es ein wenig anders auszusprechen, in einem freundlicheren Tonfall, während er eine Miesmuschel zwischen Daumen und Zeigefinger hielt.
    Poppas Nerven schienen sich beruhigt zu haben.
    Er räusperte sich und sagte: »Keesy, ich erzähle dir jetzt die Geschichte eines kleinen Mädchens aus Puerto Rico, das auch schlechte Angewohnheiten hatte; es waren andere als deine, aber genauso schädlich. Die Mutter und der Vater machten sich Sorgen, weil die Kinder in der Schule das Mädchen für verrückt hielten. Aber das Mädchen merkte nicht, dass die anderen es zur Zielscheibe ihres Spotts machten, ebenso wenig sah es, wie es seine armen Eltern demütigte und ihnen Schmerzen zufügte.« Er trank einen Schluck Bier. »Jedenfalls war dieses Mädchen immer in Träume versunken und passte nie auf, wo es hinlief. Eines Tages, so geht jedenfalls die Geschichte, machte das Mädchen einen langen Spaziergang, es sang und summte vor sich hin. Irgendwann kam es an Eisenbahnschienen und setzte sich darauf, sang und schaute in den Himmel. Weil es so versunken in seine Gedanken war, hörte es den Zug nicht kommen. Der Zugführer betätigte das Signalhorn, aber das Mädchen schaute nicht auf, und Züge kann man nicht einfach so anhalten, wenn sie einmal in Fahrt sind. Der Zug rollte dem Mädchen über die Beine und schnitt sie ungefähr hier ab.« Er wies auf seine Hüfte. »Ja, Keesy, du brauchst gar nicht so zu gucken. Die Beine wurden abgetrennt und lagen mitten auf den Bahnschienen, die konnten sich die Bussarde holen. Und das arme Kind hatte zum großen Kummer seiner Eltern nur noch zwei blutige Stumpen.«
    »Louie, das ist ja eine furchtbare Geschichte!«, schimpfte Mommy. »Solche Geschichten erzählt man doch keinem Kind!«
    »Wie ging es mit dem Mädchen weiter, Poppa?«
    »Deine Mutter hat recht, es ist eine komplizierte Geschichte. Wenn ich noch mehr erzähle, bekommst du vielleicht Alpträume.«
    Der Kellner trat heran, räumte die leeren Heineken-Flaschen ab und stellte meinem Vater ein neues Bier hin. Ich musste an die beiden blutigen Beinstümpfe auf den Schienen denken.
    »Poppa, bitte! Du kannst keine Geschichte erzählen und das Ende weglassen!«
    »Du hast viel Fantasie. Denk dir selbst ein Ende aus, Keesy.«
    »Du bist betrunken, Louie! Du bist einfach nur betrunken, und wir haben über dreißig Grad! Zweiunddreißig Grad! Du kannst einen Sonnenstich kriegen!«, flüsterte meine Mutter eindringlich. Ihr war klar, wie böse er werden konnte, wenn er öffentlich gedemütigt wurde. »Da drinnen ist ein Münzfernsprecher. Ich rufe jetzt Dr. Gurney an und erzähle ihm, dass du Margaux Angst einjagst!«
    »Mach das! Das Geld kannst du sogar von mir haben!« Poppa griff in seine Tasche. »Hier hast du ein paar Münzen, ruf ihn an! Dann habe ich wenigstens meine Ruhe! Dann kann ich hier sitzen und den Schatten genießen! Los!«
    Als meine Mutter den Tisch

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