Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie
als sauber gewesen.
„Wo um Himmels willen hattest du nur den Eimer her?“, fragte Christopher angewidert, als er an seinem Ärmel schnupperte.
Long Tian feixte. „Aus dem Stall.“
Christopher kannte den schwarzen Humor seines Freundes und wollte den Teufel tun, ihm eine weitere Vorlage zu liefern. Er schlüpfte aus den ekligen Kleidern und reichte sie dem Chinesen.
„Ich brauche frisches Wasser.“
Long Tian deutete stumm auf den Waschtisch. Nackt ging Christopher zu dem Tisch. Im hohen Waschkrug dampfte parfümiertes Wasser, neben der Schüssel lagen Waschlappen und Tücher zum Abtrocknen bereit sowie ein Stück Sandelholzseife.
Christopher erlaubte sich einen wohligen Seufzer, als er mit dem feuchten Lappen den Schmutz und Gestank abwusch. Die Krönung des Genusses wäre jetzt natürlich der Besuch eines türkischen Dampfbades gewesen, doch derartige Badeanstalten gab es nur im Orient. Christopher beschloss, den Gedanken festzuhalten. Vielleicht war auch der Westen bereit für ähnliche Vergnügungen.
Er trocknete sich ab und warf seinem Spiegelbild einen kurzen Blick zu. Ihm gefiel nicht, was er da sah. Der Mann im Glas wirkte nicht wie er selbst. Christopher wandte seine Aufmerksamkeit seinem Haar zu. Er öffnete den Flechtzopf und senkte seinen Kopf in die Waschschüssel.
„Lasst mich Euch helfen.“ Unbemerkt war Long Tian herangetreten. Er goss etwas von dem Wasser über Christophers Kopf, ehe er die Seife zwischen seinen Händen aufschäumte und den Schaum über Christophers Haar und Kopfhaut verteilte.
Ungewohnt sanft für einen Mann massierte Long Tian Christopher. Bald bildeten sich unter der fürsorglichen Behandlung des Chinesen Schaumberge, die den sinnlich-würzigen Duft nach Sandelholz verbreiteten.
Sorgfältig wusch Long Tian schließlich die Seife aus und half Christopher, sein Haar in ein Tuch zu hüllen, ehe er Christophers Morgenmantel holte.
„Jetzt können wir uns um die Kleidung kümmern“, erklärte Long Tian vergnügt.
Während der Chinese in den Kleidern wühlte, hatte Christopher Zeit nachzudenken.
Anna verwirrte seine Sinne. Betörte ihn wie eine Sirene. Er brauchte nur den Hauch ihres Parfüms zu schnuppern, ihre Stimme zu hören oder auch nur eine Strähne ihres Haares zu sehen und sein Verstand schaltete ab. Gleichzeitig bekam er eine Erektion, deren Härte es mit Leichtigkeit mit Marmor aufnehmen konnte. Christopher begehrte Anna schmerzhaft. Er wollte sie besitzen, sich in ihr versenken, ihr Lustschreie entlocken und sich in ihr verströmen. Wieder und wieder und wieder. Und dass sie für seine Londoner Geschäfte die perfekte Frau war, machte sie umso reizvoller für ihn. Hätte er sie erst verführt, gäbe sie ihm alles, was er begehrte.
In seine Erinnerung schlich sich ihr angewidertes Gesicht, als sie ihn und Lucas im Hof zurückließ. Er musste sich entschuldigen. Und zwar so, dass sie ihm auch glaubte. Und verzieh. Anna würde nicht einsehen, dass die Fehler bei ihr und Lucas lagen. Vielleicht wäre es einfacher, sie zur Ehe zu zwingen.
Er unterdrückte einen Seufzer. Verflucht, er hasste gesellschaftliche Zwänge. Nein, er würde Anna auf anderem Wege dazu bringen, seine Gemahlin zu spielen.
Gerade weil sie beide in Fragen der Ehe gleicher Meinung waren.
Die Ehe war ein veraltetes Modell, eine Form der Versklavung der Frau.
Anna warf sich in der Unterwäsche auf ihr Bett. Wie hatten sich die zwei Männer nur dermaßen aufführen können? Es war geradezu peinlich gewesen. Nun ja, über Christophers Motive brauchte sie sich keine Gedanken zu machen. Dieser Barbar glaubte, sie gehöre allein ihm! Als ob er irgendein Anrecht auf sie hätte.
Sie seufzte. Sie musste sich fertigmachen, wollte sie nicht zu spät kommen. Lady Winchester ließ ein Picknick vorbereiten, und die Gäste würden mit Gigs und Phaetons zum Ort des Geschehens gebracht werden.
Sie kleidete sich gerade an, bereit, das Zimmer zu verlassen, als vor der Tür zwei Personen miteinander sprachen. Den Stimmen nach ein Mann und eine Frau.
Sie öffnete die Tür und erkannte Colette. Diese sah erschrocken auf. „Oh Miss, Ihr seid aufbruchbereit?“
„Ich wusste nicht, ob du mir jedes Mal zur Verfügung stehst.“
„Für die Dauer Eures Aufenthalts bin ich Eure private Kammerzofe“, erklärte das Dienstmädchen.
Anna nickte und warf einen Blick über Colettes Schulter.
„Und mit wem hast du dich da eben unterhalten?“
„Mit mir.“ Ein Schatten löste sich aus dem
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