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Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie

Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie

Titel: Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Paul
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anzulächeln und damit zu beruhigen. Er konnte schwerlich zugeben, dass er Anna gerade verführt hatte und sie nun heulend in ihrem Zimmer hockte.
    Eleanor winkte den Butler herbei und wechselte ein paar geflüsterte Worte mit ihm, worauf der würdevoll dreinblickende Dienstbote im Innern des Hauses verschwand.
    „Fehlt sonst noch jemand?“, fragte Eleanor und sah sich um.
    In der Auffahrt warteten mehrere Gigs und ein Phaeton. Die Damen hatten bereits in den Kutschen Platz genommen, und der eine oder andere Herr hatte sich zu ihnen gesellt.
    Lord Lucas, der Marquis James Norrin und Victor standen zusammen und plauderten. Christopher überlegte, ob er sich zu ihnen gesellen sollte, doch da kehrte der Butler zurück.
    „Miss Drysdale lässt ausrichten, dass sie sich nicht wohlfühlt. Sie bittet darum, sie zu entschuldigen. Sie zieht es vor, den Tag auf ihrem Zimmer zu verbringen.“
    Eleanor nickte besorgt. „Das arme Ding! Hector, Sie sorgen dafür, dass es Miss Drysdale an nichts fehlt.“
    Der Butler nickte. „Sehr wohl, Mylady!“
    „Meine Herrschaften, wir können aufbrechen! Wir sind vollzählig!“
    Christopher reichte Lady Winchester den Arm, und sie ließ sich von ihm dabei helfen, in den Gig zu klettern. Kurz darauf setzten sich die Kutschen in Bewegung.
     
    Anna schluchzte in ihre Kissen.
    Wie hatte das nur geschehen können? Christopher berührte sie, und sofort reagierte sie völlig irrational und schamlos wie eine Straßendirne. Die Erinnerung daran ließ die Hitze in ihre Wangen steigen. Sie hatte sich auf eine Weise benommen, die einfach nur schockierend und im höchsten Maße unanständig war. Reichte es denn nicht, dass sie im Strudel der Trauer eine ähnliche Dummheit begangen hatte? Die Scham saß immer noch tief, und dazu kam der Gedanke, wie es ihre Eltern schockieren würde, wüssten sie um Annas Fehltritt!
    Tränen strömten aus ihren Augen und nässten das Federkissen unter sich. Weshalb zeigte sie sich nur so willensschwach, so verdorben und zügellos?
    Eine Lady von Stand durfte sich niemals derartig gehen lassen. Wie enttäuscht wäre ihr geliebter Stiefvater von ihr!
    Sie konnte noch seine liebevolle Stimme hören, als er zu ihr sagte, wie stolz er auf sie wäre. Was für eine perfekte junge Dame sie wäre. Eine Zierde jedes Hauses. Und obendrein klug und gebildet.
    Aber er war nicht mehr da. Er erlebte nicht, wie alles zerfiel. Wie Annas guter Ruf mehr und mehr zur Farce wurde. Ihre Reputation stand auf dem Spiel. Sein Heim war in den Händen des ungeliebten Halbbruders. Seine Stieftochter war ein gefallenes Mädchen, das nur nach außen den Schein der tugendhaften Lady darstellen konnte – so sehr sie auch darum kämpfte, vollständig die Dame zu sein, die der Stiefvater sich gewünscht hatte zur Tochter zu haben.
    Ihr Leben war am Bersten.
     
    Die Wiese, die Eleanor zum Picknickareal bestimmt hatte, lag zwischen Ellesmere Manor und Ballingshire, einem kleinen Städtchen. Die Spitze dieses Dreiecks bildete ein Laubwäldchen. Die Sonne schien, in der Nähe blökten Schafe, und die Kirchturmglocke des Städtchens schlug. Alles wirkte idyllisch und wie geschaffen für einen gemütlichen Tag an der frischen Luft.
    Christopher saß auf einer der Picknickdecken, aß Sandwiches und beobachtete Lady Emily Whatley, ihren Mann Lord Thomas und James Norrin fasziniert. Die elegante Frau saß zwischen den Männern und genoss die Bemühungen der beiden um ihre Gunst. Sie plauderte und reagierte auf die Scherze und Komplimente der beiden mit verführerischem Lachen. Wenn sie sich unbeobachtet wähnten, ließ die zierliche Frau zu, dass der Marquis ihre Füße streichelte.
    Amüsiert bemerkte Christopher, dass die Lady sich einmal so dicht über den Mann beugte, dass ihr Busen seine Hand streifte.
    „Wärst du in der Stimmung, ein wenig Federball mit mir zu spielen?“, fragte Eleanor und unterbrach Christophers Beobachtungen.
    Enttäuscht, nicht länger seine ganze Konzentration dem faszinierenden Schauspiel des ungleichen Trios widmen zu können, wandte er sich der Frau seines Freundes zu.
    „Und was ist mit Victor?“
    Dieser winkte ab. „Um Himmels willen, geht ihr nur! Ich bin zufrieden, wenn ich hier in der Sonne liegen und dösen kann.“
    Demonstrativ ließ sich Victor auf die Decke sinken und reckte sein Gesicht in die Sonne.
    Christopher erhob sich und half Eleanor beim Aufstehen.
    Die Gruppe zerstreute sich rasch.
    Viscount Sheldon und seine Gemahlin spielten mit Lucas St. Clare

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