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Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie

Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie

Titel: Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Paul
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Annas Keuchen rissen Christopher aus seinen Gedanken. Er seufzte. Anna blockierte die Verbindungstür zwischen ihren Zimmern.
    Long Tian glitt in das Schlafzimmer. Irritiert starrte er zur Zwischentür.
    „ Hu-Wei , Ihr habt sie verärgert?“
    Christopher winkte ab. „Dem darf man nicht zu viel Bedeutung beimessen. Anna ist eine Geschäftspartnerin. Sie wird zur Vernunft kommen.“
    „ Eine Freundschaft ist wie eine Tasse Tee. Sie muss klar und durchscheinend sein, und man muss auf den Grund schauen können“, erwiderte Long Tian.
    „Anna ist keine Freundin“, erwiderte Christopher barsch.
    Long Tian musterte Christopher aufmerksam. „Nein, laoye , Anna ist keine Freundin.“
    Schweigend beugte sich der kleine Chinese über seinen Freund und Dienstherrn und entfernte die Nadeln.
    „Wir wiederholen das.“ Long Tian richtete sich auf. „Ein Bote vom Hafen brachte die Nachricht, dass am Horizont die Segel der St. Mary aufgetaucht sind. Euer amerikanischer Geschäftspartner wird London bald erreicht haben.“
    Christopher erhob sich und streifte seine Hose herunter. „Dann darf ich keine Zeit verlieren. Lass Anna davon unterrichten, dass wir ein Abendessen für unseren Gast geben werden.“
     
    Anna beugte sich über die Gästeliste und kontrollierte die bereitliegenden Einladungskarten. Auf Anweisung von Christopher hatte sie besondere Sorgfalt auf die Auswahl der Gäste gelegt. Mittlerweile plante sie statt des Abendessens eine Soiree mit anschließendem Dinner.
    Seit ihrem Zwist hatte Anna Christopher nicht mehr gesehen. Die meiste Zeit vergrub er sich in seinem Arbeitszimmer oder spielte für Long Tian das lebende Nadelkissen. Die gelegentlichen Anflüge von Sorge, die Anna überkamen, unterdrückte sie erfolgreich. Wurde das Schuldgefühl wegen Christophers Verletzung zu groß, rief sie sich streng Christophers Neigung für Straßendirnen und seine Respektlosigkeit ihr gegenüber ins Gedächtnis.
    Die Erinnerung half, ihre anerzogene Contenance zu bewahren.
    Bao betrat lautlos Annas Privatgemach. Geduldig wartete sie, bis Anna aufblickte.
    „ Taitai , das Kleid sein gekommen.“ Ihr Tonfall glich einem Singen. Anna nahm an, dass dies an ihrer Muttersprache lag.
    Anna lächelte. „Danke, Bao, lass es hereinbringen.“
    Die Dienerin nickte und winkte ein Hausmädchen herein. Das dralle Mädchen knickste und legte das Abendkleid auf die Schlafstatt.
    Anna blinzelte überrascht. „Das ist nicht das Kleid, das ich orderte.“
    „Sein Gewand, das Schneiderin gemacht für taitai “, erwiderte Bao.
    Anna trat an das Bett und strich atemlos über die smaragdgrüne Seide. Der Ausschnitt und die Ärmel waren mit silbrig glänzender Spitze aus Seidengarn umsäumt. Der Rock selbst war von silbernen Fäden durchzogen und schimmerte in der Nachmittagssonne.
    Sie erinnerte sich, dass sie bei ihrem Besuch bei der Kleidermacherin eben diesen Stoff angehimmelt hatte. Wegen des unanständig hohen Preises war ihre Wahl dann auf einen bedeutend billigeren und haltbareren Stoff gefallen. Doch Christopher musste ihre Begeisterung bemerkt haben. Wärme stieg in ihr auf.
    „Das kann ich … meine Güte, das Kleid ist viel zu wertvoll, um es zu tragen!“
    „Unsinn“, erklang Caítlíns Stimme hinter Anna. „Was sagt Ihr erst, wenn Ihr das Geschmeide zu Gesicht bekommt, das Lord Munthorpe für Euch gekauft hat?“
    Anna drehte sich um. „Schmuck?“
    Caítlín schmunzelte. „Er hat mir dies für Euch gegeben.“ Die Irin hielt Anna eine Schatulle entgegen und öffnete den Deckel.
    Anna stieß einen überraschten Laut aus, wandte ihren Blick ab und sah erneut auf das in der Box befindliche Collier aus Opalen, Smaragden und filigranem Silber. Dezente Ohrgehänge, verziert mit winzigen Opalen und Smaragden, rundeten das Schmuckset ab. Anna blinzelte erfolglos gegen die aufsteigenden Tränen an, die aus ihren Augen quollen.
    Caítlín umarmte sie wenig zurückhaltend. „Miss Anna, um Himmels willen, was habt Ihr denn?“
    Anna schüttelte den Kopf, unfähig, sich in diesem Moment zu artikulieren.
    Sie hätte auch gar nicht gewusst, was sie Caítlín erzählen sollte. In ihrem Innersten tobte ein Sturm der Gefühle. Warum diese teuren Geschenke? Sah Christopher in ihr das Aushängeschild für seinen Reichtum, seine erfolgreichen Geschäfte? War es Bestechung, damit sie gefügig und gehorsam blieb? Oder waren die Präsente die Anerkennung für ihre Unterstützung?
    An tiefere Empfindungen wollte sie nicht denken.

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