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Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie

Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie

Titel: Tigerlilie - Paul, I: Tigerlilie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Paul
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schwarzer Zahnstummel.
    Annas Herz schien aus ihrer Brust hüpfen zu wollen, prallte gegen die Rippen und blieb an Ort und Stelle. Sie versuchte, sich keine Furcht anmerken zu lassen und packte ihren Parasol fester. Ihr Schirm war stabil, doch als Waffe denkbar ungeeignet. Mehr als einen Hieb würde er kaum überstehen.
    „Ich habe es eilig. Lasst mich vorbei!“
    Die drei Männer brachen in Gelächter aus.
    „Das ist keine Miss, das ist eine Lady!“, sagte der Anführer. Obwohl er eher unscheinbar und harmlos wirkte, machte er Anna mehr Angst als die beiden anderen.
    „Geht mir aus dem Weg!“ Entschlossen lief sie los, hielt aber inne, weil die Männer keinen Zentimeter wichen. Wie eine Mauer standen sie vor Anna. Der dritte Kerl umrundete Anna, und nun sah sie den Fluchtweg abgeschnitten. Auch der Weg auf die Straße schied aus, denn eine herannahende Kutsche blockierte diesen Ausweg. Anna wappnete sich schon gegen den Zugriff der Männer, die sie zweifellos in die Gasse zerren würden. Dann jedoch stoppte die Droschke abrupt neben Anna und ihren Angreifern. Das Wiehern der Pferde drang wie durch Watte an Annas Ohren.
    Eine hochgewachsene Gestalt schoss aus dem Verschlag und stieß den einzelnen Räuber hinter Anna beiseite. Ihr Retter packte sie und schob sie Richtung Equipage.  „In die Kutsche, sofort!“
    Anna floh wie ihr geheißen und sah hinaus. Die drei Männer umringten Christopher.
    „Schau an, schau an, ein feiner Pinkel!“ Der Anführer zog ein Messer aus seiner Jacke.
    Annas Herz machte einen Aussetzer. Ein saurer Geschmack lag auf ihrer Zunge.
    Die beiden anderen Halunken bewaffneten sich mit Hammer und Holzprügel. Christopher musterte die drei verächtlich und ging in einen breitbeinigen Stand. Gleichzeitig hob er seine Arme, vollführte eine geschmeidige Bewegung und schien zu warten.
    „Kit, komm, wir müssen weg!“, rief Anna.
    Der Gauner mit dem groben Holzknüppel stürmte auf Christopher los. Dieser hob die Hand, blockte den Angriff ab und schlug mit der Faust gegen die Brust des Angreifers, der zu Boden fiel wie ein gefällter Baum.
    Mit einem Aufschrei sprang der Hammermann auf Christopher zu. Christopher drehte sich blitzschnell und trat, den Schwung ausnutzend, dem Mann in die Beine.
    Der Anführer der Gaunerbande schwang sein Messer. Er beging nicht denselben Fehler wie seine Kumpane, sondern näherte sich Christopher langsam und mit Bedacht.
    Die beiden belauerten sich. Der Gauner kniff die Augen zusammen. Die Männer umkreisten sich. Plötzlich schoss die Hand des Halunken vor und erwischte Christopher am Unterarm. Christopher fluchte. Er schlug mit der rechten, seltsam abgewinkelten Hand zu und brachte den Anführer dazu, das Messer fallen zu lassen.
    Der Schurke bückte sich danach, doch in einer schnellen Bewegung holte Christopher aus und traf den Gauner am Kopf. Ein zweiter Hieb und der Übeltäter brach reglos zusammen. Christopher schimpfte und hielt sich den verwundeten Arm.
    Er kletterte in die Kutsche und saß kaum, da rollte das Gefährt los.
    „Du bist verletzt, lass mich nachsehen!“, sagte Anna.
    Christopher warf ihr einen finsteren Blick zu. „Long Tian wird das erledigen.“
    Dennoch nahm er Annas Schal entgegen, den er auf den Schnitt drückte, bevor er die ganze Droschke mit seinem Blut volltropfte.
    „Verflucht!“
    Anna zuckte zusammen.
    „Das war mein Lieblingshemd!“, grollte er.
    Sie berührte seine Hand. „Danke.“
    Er sah auf, und seine Miene wurde mild. „Gern geschehen.“
    Eine Weile lang vernahm man nur das Rumpeln und Klappern der Hufe.
    „Was hattest du dort zu suchen? Und wo warst du den ganzen Tag? Ich habe mir Sorgen gemacht. Caítlín wollte mir erst nach gutem Zureden verraten, wo ich dich finde.“
    Anna zögerte einen Moment.
    „Ich besuche Waisenkinder.“
    Christopher sah sie interessiert an. „Elternlose Kinder also“, sinnierte er nach einer Weile. Er sah aus dem Fenster. „In dieser Gegend?“
    Anna zuckte mit den Schultern. „Die Kinder der Reichen sind für gewöhnlich nicht auf derartige Einrichtungen angewiesen.“
    „Seit wann machst du das schon?“
    „Lange. Schon gemeinsam mit meiner Mutter stickte und nähte ich Kleider für die Waisen.“ Sie hielt inne. „Nach dem Tod meiner Eltern hatte ich das Bedürfnis, mehr zu tun.“
    „Du hast dich ihnen verwandt gefühlt“, erkannte Christopher.
    Anna sah ihn überrascht an. „Ja, das stimmt.“
    Sie schwiegen eine Weile, bis Anna merkte, dass Christophers

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