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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie de Velasco
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an.
    Du spinnst. Wie soll der denn an den Ring rangekommen sein?
    Keine Ahnung, er war es auf jeden Fall!
    Bist du dir sicher?
    Ziemlich.
    Ziemlich reicht aber nicht.
    Sag mal, auf welcher Seite stehst du eigentlich, sage ich.
    Auf gar keiner. Was soll denn das jetzt?
    Die Serben, die haben Tarik das Bein weggeschossen.
    Was hat das bitte mit dem Ring zu tun?
    Gar nichts. Aber ich kann schon verstehen, dass Tarik nicht will, dass Jasna sich mit so einem trifft.
    Serbe, Sorbe, schönes O-Wort, sagt Jameelah.
    Ich scheiße auf schöne O-Wörter, sage ich, ich will den Ring wiederhaben.
    Nur weil der arme Sorbe zu viele Spuckepfützen macht, klaut er noch lange keine Verlobungsringe, sagt Jameelah.
    Hallo, der arme Sorbe ist der, der uns früher Steine auf den Kopf geschmissen hat, weißt du noch.
    Nee.
    Ist aber so.
    Du immer mit deinen Kindheitserinnerungen, sagt Jameelah und schaut mich misstrauisch von der Seite an, aber es ist viel zu heiß, um zu streiten.

Wenn Jameelah und ich klauen gehen, dann geht das normalerweise so. Wir schließen uns nach der Schule im Mädchenklo ein und trinken Tigermilch, aber nicht zu viel, beim Klauen geht es nicht darum, voll, sondern mutig zu sein. Ich traue mich sowieso nicht zu klauen, ich bin gleich das erste Mal, als ichs versucht hab, erwischt worden. Das ist zwar schon ein paar Jahre her, aber seitdem kann ich nicht mehr die sein, die klaut. Deswegen bin ich Jameelahs Komplize, aber das ist mindestens genauso wichtig.
    Wir fahren ein bisschen angeschickert in die Arkaden und geben beim Kaufland unsere Rucksäcke ab. Dort kaufen wir eine große Müllermilch, von der wir die Hälfte in die hässlichen Plastikpflanzen draußen an den Rolltreppen kippen, dann gehen wir zu Bijou Brigitte rein. Ich halte die Müllermilch in der Hand und immer, wenn die Verkäuferin nicht guckt, flüstere ich, ist billig, ist billig. Das ist das Zeichen dafür, dass Jameelah was in der Müllermilch versenken kann. Wenn aber die Verkäuferin zu uns rüberschaut und Jameelah gerade was versenken will, dann sage ich, ist teuer, viel zu teuer. Man kann sich gar nicht vorstellen, was alles in so einen Becher reinpasst, sogar Haarreifen und Sonnenbrillen.
    Wenn Nico am Planet ist, dann lassen wir ihn den Becher nach dem Klauen austrinken, er steht auf Müllermilch, egal welcher Geschmack. Er trinkt sie in einem Zug aus, als wäre er der Müllermilchmeeresgott, der sein eigenes Gewässer aussäuft. Manchmal können wir es selbst gar nicht glauben, dass da unten auf dem Müllermilchmeeresboden tatsächlich unsere Schätze liegen, dass all die schönen glänzenden Sachen da unten auf uns warten, wie bei echten Seeräubern, die erst nach Jahren zurückkehren, um den Schatz zu heben.
    Den Schmuck, der uns am besten gefällt, behalten wir, den Rest verschenken wir an die anderen. Manchmal bringen wir Sachen sogar zurück, wir legen sie einfach wieder ins Regal, aber das ist eher selten, muss ich sagen. Vor allem Schmuck mit grünen Steinen bringe ich nie zurück, den nehme ich immer mit nach Hause, auch wenn ich weiß, dass ich ihn nie tragen werde, der Schmuck mit den grünen Steinen, der landet bei mir. Ist mir bis vor Kurzem nie aufgefallen, das mit dem grünen Schmuck, aber jetzt kapiere ich es. Ich war mal bei der Fuhrmeister, unserer Schulpsychologin, ich musste in der Fünften ein paar Mal zu ihr hin, ich sollte Mama und Rainer und Jessi als Tiere malen und am Ende auch Papa. Rainer habe ich als Kamel gemalt und Papa als Hund, das weiß ich noch genau, weil wir über das Kamel und den Hund am längsten geredet haben. Mich hat das genervt, aber am Ende war klar, warum ich Rainer als Kamel und Papa als Hund gemalt habe, weil Hunde meine Lieblingstiere sind und Kamele eben nicht. Über Mamas Verlobungsring und grüne Steine haben wir damals nicht geredet, aber das ist egal, es ist genauso wie das mit den Tieren, ich wette, das würde die Fuhrmeister auch sagen, mein Tick mit den grünen Steinen ist echte Psychologie, wegen Papa, und der Tick ist genauso echt wie der Verlobungsring und genauso echt, wie dass Dragan, dieser sorbische Dieb, ihn irgendwie geklaut haben muss.
    Heute liegt unten auf dem Müllermilchmeeresboden auch was Grünes, ein Bauchnabelpiercingstecker mit einem grünen Stein, dabei habe ich noch nicht einmal ein Bauchnabelpiercing, beziehungsweise es ist gleich nach dem Stechen zugeeitert. Ich stecke mir das Piercing in den Mund und lutsche die Müllermilch runter, da wirft Jameelah mir

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