Tigermilch
diesen Blick zu. Achtung, da kommt Lukas, heißt das. Ich lasse den Becher schnell in ihrem Rucksack verschwinden. Menschen wie Lukas finden es nicht gut, wenn man Schmuck in Milchbechern versenkt, das ist wirklich so, da kann ich Jameelah verstehen.
Hallo, sagt er, und legt die Hand zum Grüßen an seine Mütze.
Ist er jetzt ein Soldat oder was, denke ich.
Wir gehen jetzt zur Menschenrechtsgruppe in die Teestube, kommt ihr mit, fragt Lukas.
Menschenrechtsgruppe, klar, sagt Jameelah, dabei krallen sich ihre Fingernägel vor Freude in meine Hand.
In der Teestube stinkt es. Es stinkt nach Früchtetee, nach dem alten Stoff, mit dem der Billardtisch in der Ecke überzogen ist, nach alten Büchern, die so scheiße sind, dass noch nicht mal Lukas sie lesen würde, nach Spielesammlungen, bei denen immer ein Hütchen oder Kärtchen fehlt, sodass man kein einziges Spiel wirklich spielen kann, es stinkt nach uralten Sofas, auf denen Erwachsene sitzen, die immer alles besser wissen, ihr eigenes Leben aber total verkackt haben und jetzt so einsam sind, dass sie sich jeden Abend einen runterholen müssen. Ich weiß, wonach es riecht, es riecht irgendwie nach Gott und nach seiner verfaulten Welt.
Auf dem Sofa liegt ein gammeliges Samtkissen. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie viele gläubige Teetrinker dieses Kissen schon auf dem Schoß oder unterm Arsch liegen hatten, es sieht jedenfalls aus, als hätte es viele Schöße und Ärsche gesehen. Ich lasse es unauffällig auf den Boden fallen.
Jameelah sitzt neben mir im Schneidersitz und zwinkert Lukas zu, der grinst verlegen zurück.
Ich weiß so ungefähr, was Menschenrechte sind, warum das wichtig ist und so, aber warum Lukas und die anderen sich hier regelmäßig treffen, um darüber zu reden, weiß ich ehrlich gesagt nicht. Nadja erzählt was über einen Text, den sie im Netz gelesen hat, da geht es um eine Familie aus Guatemala. Alle nicken betroffen, als ob sie diese Leute wirklich kennen würden. Nach und nach kapiere ich, es geht darum, dass sie alle am Samstag bei den Engagementwochen in der Fußgängerzone für die Straßenkinder in Guatemala Geld sammeln wollen, um den Kindern dort zu helfen, für eine bessere Welt, so heißt das Motto, für eine bessere Welt, so steht es auf einem der Bettlaken, die sie schon letzte Woche bemalt haben. Eins davon liegt genau vor uns auf den braunen Fliesen. Ich frage mich, ob die die Bettlaken von zu Hause haben und was das für Leute sind, dass die keine Spannbetttücher benutzen, überhaupt, Mama würde mir so was von eine knallen, wenn ich einfach eins von ihren Laken bemalen würde, egal ob Spannbett oder nicht. Ich könnte das ja alles noch lustig finden, wenn dieser schlimme Gruppenleiter nicht wäre, der Kopps-Krüger. Er sitzt mir gegenüber, er sieht aus wie der Steinbeißer, und er hat den schlimmsten Mundgeruch der Welt. Hinter ihm hängt ein Poster, da steht drauf Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne, das ist von einer Ausstellung, ich will gar nicht wissen, was da alles entfaltet und erfahren wird. Alle reden über die Sammelaktion am Samstag und wie viel Geld man zusammenkriegen muss, damit diese Partnerkirche in Guatemala weiß ich was für die Straßenkinder kaufen kann.
Euch habe ich ja noch nie hier gesehen, sagt der Kopps-Krüger irgendwann zu uns, wollt ihr euch mal kurz vorstellen.
Ich habe keine Lust, mich vorzustellen, aber Jameelah sagt, also, das hier ist Nini, und ich bin Jameelah.
Manchmal kann Jameelah so deutsch sein, peinlich ist das, aber der Kopps-Krüger kriegt ganz große Augen, als er Jameelahs Namen hört.
Finde ich gut, dass du auch hier bist, sagt er zu ihr, dabei nickt er wie irre mit dem Kopf, so als hätte er diese gruselige Papstkrankheit. Ich kann spüren, wie es im Kopf vom Kopps-Krüger, in seinem Dritte-Welt-Gehirn, ordentlich blitzt und donnert. Ich zähle langsam die Sekunden ab, 21, 22, 23, dann geht es los.
Schöner Name, Jameelah, wirklich schön, sagt er, die Araber sind ja sehr poetische Menschen, wo kommst du denn genau her, fragt er.
Na von hier, sagt Jameelah.
Klar, sagt der Kopps-Krüger und lächelt mild, als wäre Jameelah ein junger Hund, der ein paar alte Schuhe zerbissen hat.
Ursprünglich, woher kommst du denn ursprünglich, will ich sagen. Du kommst doch nicht aus Deutschland, oder?
Aus dem Irak.
Aha, sagt der Kopps-Krüger, sehr schönes Land, die Landschaft und auch die Menschen, unglaublich gastfreundlich, die Irakis, aber, sagt er und
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