Tigermilch
anderen Namen, andere Stadt, das ist wie bei James Bond. Du darfst mit keinem aus deinem alten Leben mehr was zu tun haben, willst du das etwa?
Du guckst echt zu viel Fernsehen.
Das sagst ausgerechnet du! Verdammt noch mal, die schauen gerade, ob ich überhaupt noch in Deutschland bleiben darf, kapierst du eigentlich, was das heißt? Eine Kleinigkeit, ein falsches Wort, und alles ist im Arsch.
Das ist doch übertrieben, sage ich, ich meine, wir sind doch nicht irgendwelche Straßenkinder in Guatemala.
Jameelah seufzt.
Dann mach halt. Geh zu den Bullen und steck denen alles. Aber mich hältst du da raus. Ich war weder mit dir unterwegs, noch habe ich irgendwas gesehen, sagt sie und steht auf, ich muss jetzt raus.
Wieso?
Bin mit Nadja für die Teestube verabredet, hab ich doch eben schon gesagt.
Kotz-Krüger-Teestube?
Ja. Kommst du mit?
Nee.
Dann eben nicht.
Tschüs.
Tschüs. Amir wird dir ja so dankbar sein. Und Tarik erst.
Ich gehe nicht zu den Bullen, ich gehe nach Hause, in mein Zimmer, stopfe endlich die Bild in den Mülleimer und laufe damit runter in den Hinterhof. Ich kippe den Müll in eine der überquellenden Tonnen. Die Bild bleibt oben liegen, Amir und Jameelah, das V-Zeichen über Amirs Kopf. Bis jetzt dachte ich immer, manche Dinge bleiben für immer, die ändern sich nie, die verschwinden nicht, genau wie in Biologie diese versteinerten Tiere, die angeblich Millionen von Jahren alt sind. Das stimmt aber nicht, gar nichts versteinert, Jameelah hatte recht, alles wird immer anders, obwohl man es gar nicht will.
Ich schiebe mir eine Pizza in den Ofen und setze mich damit vor den Fernseher, aber als ich anfangen will zu essen, sehe ich, auf der Pizza sind Pilze. Ich hasse Pilze, ich mache sie alle runter und verbrenne mir dabei halb die Finger, aber als die Pilze runter sind, merke ich, auf Salami habe ich auch keinen Appetit, und auf gekochten Schinken auch nicht. Irgendwann ist auf der Pizza nichts mehr außer Käse und Tomate, Käse und Tomate ist gut, aber als ich reinbeiße, merke ich, die Pizza ist innen drin noch gefroren. Mit dem Teller in der Hand laufe ich runter zum Müll. Die Pizza landet genau auf Amirs Gesicht.
Mein Handy klingelt, es ist Nico.
Wie gehts dir, Süße, sagt er.
Scheiße. Und dir?
War bei Boesner, Dosen kaufen. Soll ich vorbeikommen?
Weiß nicht, sage ich.
Ist Jameelah bei dir?
Nee, ist in diese Teestube gefahren.
Und du?
Ich scheiß auf die Menschenrechte, sage ich.
Was ist los?
Nichts, dieser Lukas, sage ich, der geht mir auf die Nerven.
Sag ich doch, das ist ne reinrassige Schwuchtel.
Hör auf.
Ist ja schon gut. Ist mein Bruder bei euch?
Sind alle ins Kino gegangen.
Schick ihn rüber, wenn er wieder da ist, ja?
Mach ich. Willst du heute Abend schon los?
Ja, sagt Nico, hab das Gefühl, das ist das Einzige, was ich tun kann.
Kann ich mit?
Nein, besser nicht, das ist gefährlich.
Eben deswegen. Ich kann Schmiere stehen.
Na gut, sagt Nico nach langem Zögern, aber es wird spät. Leg dich pennen, ich klingel dich an, dann kommst du runter zum Spielplatz.
Nein, nicht am Spielplatz.
Na gut, dann bei uns vor der Tür. Aber leise, o. k.?
O. k.
Bis dann, Süße.
Ich lege auf und will gerade zurück in mein Zimmer, da wird die Wohnungstür aufgeschlossen, Mama, Rainer, Jessi und Pepi kommen rein. Jessi hat Vampirzähne im Mund, sie springt mir in die Arme, ihre Hände riechen nach Popcorn und Bananen.
Wir haben Biss zum Abendrot gesehen, sagt sie.
Ich weiß nicht, ob sie Abendrot oder Abendbrot sagt, zwischen Popcorn und Bananen riecht es nach Pommes, und erst da merke ich, dass ich einen Riesenhunger habe. Rainer hält zwei große Tüten in der Hand, er geht in die Küche und packt vier Portionen Gyros komplett aus.
So, jetzt wird gegessen, sagt Mama.
Kann Pepi noch zum Essen bleiben, fragt Jessi.
Nico hat angerufen, sage ich, Pepi soll nach Hause.
Meine Krone, ruft Pepi und holt eine zerknautschte Krone von Burger King aus einer der Tüten.
Tschüs, sagt er und setzt sich die Krone auf.
Mamas Haare sind offen, sie hat sich was auf die Lippen gemacht, richtig gut gelaunt sieht sie aus. Sie holt Teller aus dem Schrank, stellt sie auf den Küchentisch, und neben jeden Teller legt sie Besteck, darunter schiebt sie die Papierservietten aus der Imbisstüte, kurz überlege ich, ob ich irgendeinen Geburtstag oder so vergessen habe, habe ich aber nicht.
Gibts kein Ketchup, fragt Jessi.
Nein, sagt Rainer und zeigt zuerst auf das
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