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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie de Velasco
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Nico und steckt Block und Stift zurück in seinen Koffer.
    Was sollte das jetzt, fragt Jameelah.
    Hier gehört was hingebombt, sagt er, genau da an die Wand, da muss Sad stehen.
    Jameelah schaut Nico ungläubig an.
    Aerosol macht echt blöd, oder?
    Ach, halt die Klappe.
    Nico, das ist wirklich bescheuert, sage ich, hier sind doch garantiert überall Kameras.
    Nein, hab ich schon beim Reinkommen gesehen, die kriegen den Winkel gleich an der Wand nicht rein, sagt Nico und beugt sich über den Präsentkorb. Er holt die Dose mit dem Wildtopf raus, reißt das Blech auf und kippt sich das Zeugs kalt rein.
    Du bist so ein Tier, sagt Jameelah und dreht sich angeekelt weg.
    Wieso, sagt Nico mit vollem Mund, ist doch genau richtig bei dem Wetter.
    Wie kannst du jetzt nur was essen, sagt Jameelah, und dann auch noch das, was eigentlich für Amir war.
    Sorry, ich hab Hunger, sagt Nico, soll ich jetzt fasten oder was. Das holt Amir auch nicht wieder raus.
    Sein zufriedenes Gesicht, seine Hände, die er sich immer wieder an der verfleckten Hose abwischt, beruhigen mich irgendwie. Es geht weiter. Alles geht immer weiter, die Bahn fährt weiter, tuckert von einer Station zur nächsten, die Sonne wandert weiter, egal was passiert, die Welt dreht sich einfach weiter und wir uns mit ihr, egal wie traurig oder verzweifelt man ist, essen und trinken und aufs Klo muss man trotzdem früher oder später, nicht nur wir, auch Amir, was der immer essen konnte.
    An der Wilmersdorfer steigt Nico aus.
    Muss noch zu Boesner, bis dann, sagt er und drückt mir einen Kuss auf die Wange, fast schon auf den Mund.
    Was war das denn, fragt Jameelah, als die Bahn weiterfährt, seid ihr jetzt ein Pärchen?
    Quatsch, sage ich, das hätte der wohl gern.
    Und du, hättest du das auch gern?
    Keine Ahnung.
    Komm, jetzt tu nicht so, sagt Jameelah und grinst mich auffordernd an.
    Hör auf, sage ich und schaue aus dem Fenster.
    Ich tue nicht so, ich kann an so was wie Nico und mich gerade überhaupt nicht denken. Amirs Taschentuch steckt in meiner Hosentasche, ich hole es raus und mache einen festen Knoten rein, einen für Jasna, dann mache ich noch einen rein, einen für Amir, und dann mache ich noch einen rein, einen für Tarik, für jeden Toten einen Knoten, für Jasna, weil sie wirklich tot ist, für Amir, weil er nie mehr wirklich leben wird, und das so gut wie tot sein ist, und für Tarik, weil Tarik am totesten von allen dreien ist, weil wenn man jemanden umbringt, man damit auch sich selber umbringt.
    Was machen wir jetzt, frage ich.
    Ich geh jetzt in die Teestube, sagt Jameelah, Lukas ist zurück, vielleicht geht der ja da hin. Willst du mit?
    Du hast gesagt, wir gehen zur Polizei, wenn wir bei Amir waren.
    Hab ich gar nicht.
    Hast du wohl, du hast es sogar versprochen.
    Hab ich nicht, sagt Jameelah, ich hab versprochen, dir zu helfen, den verdammten Ring aus dem Müll zu fischen, daran hab ich mich gehalten. Dass wir ihn nicht gefunden haben, tut mir leid, das habe ich dir schon ungefähr tausendmal gesagt. Aber versprochen hab ich dir ansonsten gar nichts.
    Hast du wohl.
    Nein, du hast was versprochen, schon vergessen, sagt Jameelah, du hast versprochen, dass du nicht zur Polizei gehst, bis wir mit Amir gesprochen haben, sogar Pinkischwur hast du darauf geschworen.
    Ich schaue auf den Boden, ich fummle an Amirs Taschentuch herum, ich mache noch mehr Knoten rein.
    An den Schwur hab ich mich gehalten, sage ich, und jetzt müssen wir zur Polizei gehen.
    Nini, wir helfen ihm nicht, wenn wir reden.
    Natürlich helfen wir ihm, wenn wir reden.
    Stimmt, weil Amir gesagt hat, geht sofort zur Polizei, ich ziehe mein Geständnis zurück, deswegen, sagt Jameelah und schaut mich an, als wär ich behindert oder so was, irgendwie muss ich mich da verhört haben.
    Nein, sage ich, aber er hat doch gesagt, er wollte nicht, dass sie stirbt. Er war traurig.
    Wegen Jasna, sagt Jameelah.
    Nein, auch weil er unschuldig ist.
    Er hat gesagt, dass es uns nichts angeht, was er mit seinem Leben macht.
    Das ist doch nur Gelaber, du kennst doch Amir, sage ich.
    Gelaber? Schon vergessen, wie er mich angeschrien hat?
    Weil du ihn provoziert hast!
    Ja, weil ich versucht habe, die Wahrheit aus ihm rauszupressen! Damit wir in diese Scheiße nicht mit reingeritten werden, damit wir uns in Zukunft nicht wie Jasna auf dem Friedhof wiederfinden.
    Mann, das ist doch Schwachsinn.
    Ist es gar nicht. Schon mal was von Zeugenschutzprogrammen gehört? Du kriegst eine komplett neue Persönlichkeit,

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