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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie de Velasco
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Fleisch und dann aufs Tzatziki, das isst man mit der weißen Soße da.
    Setz dich Schätzchen, sagt Mama zu mir und stellt eine Flasche Lambrusco und Cola auf den Tisch.
    Darf ich was davon, fragt Jessi und zeigt auf den Lambrusco.
    Rainer lacht dröhnend.
    Jetzt hört euch das an, meine Tochter.
    Er gießt Mama und sich Lambrusco ein, wir bekommen Cola.
    Auf die Familie, sagt er und hebt sein Glas.
    Wir stoßen an, ich mache meine Haare zusammen und fange an zu essen. Das Tzatziki schmeckt nach nichts, nur nach Joghurt und Salz, also gehe ich zum Kühlschrank und hole die Ketchupflasche raus.
    Na vielen Dank, sagt Rainer und schaut mich vorwurfsvoll an.
    Was denn, sage ich und verteile Ketchup auf meinem Teller, lauter kleine rote Inseln.
    Gib her, sagt Jessi, ich will auch, aber Rainer reißt mir die Flasche aus der Hand und stellt sie neben sich auf den Boden.
    Das isst man mit der weißen Soße da, das hab ich dir doch gerade gesagt.
    Jetzt mach dich nicht lächerlich, sagt Mama zu Rainer und stellt die Ketchupflasche zurück auf den Tisch. Jessi greift gierig danach, ihr kompletter Gyrosteller versinkt in einem roten See, dazwischen weiße Tzatzikiinseln.
    Verdammt noch eins, sagt Rainer, wir sind doch hier nicht in Amerika.
    Jessi, es reicht, sagt Mama und nimmt ihr die Flasche ab.
    Ich spiel doch nur Umweltschutz, sagt Jessi mit vollem Mund, das da, das ist das Meer in Japan, wenn sie die Wale schlachten, das haben wir in der Schule gelernt.
    Und, fragt Rainer und schaut mich an, was macht die Schule bei dir?
    Papa, sagt Jessi und prustet los, es sind doch Ferien.
     
     
    Irgendwas piepst. Es ist stockdunkel, ich schaue verschlafen auf mein Handy, Nico steht da, es ist kurz nach halb eins. Ich trinke den Rest Cola, der auf meinem Nachttisch steht, ziehe mich an, nehme meine Chucks in die Hand und schleiche am Schlafzimmer vorbei.
    Die Tür steht offen, Rainer schnarcht, es klingt nach zu viel Lambrusco. So leise wie möglich lasse ich die Wohnungstür hinter mir ins Schloss fallen und laufe barfuß runter. Nico sitzt auf seinem BMX , Rauch steigt über ihm auf. Er grinst, als er mich sieht, und fährt sich mit der Hand über seinen kahl rasierten Schädel, der im Schein der Straßenlaterne leuchtet.
    Na, sagt Nico und nimmt mich in den Arm.
    Ich drücke meine Nase an seinen Hals. Er riecht nach dem Zeugs in den Dosen, das, wovon Jameelah meinte, dass es blöd macht. Nico ist nicht blöd, Nico ist klug, klüger als wir alle zusammen, nur lässt er das nicht so raushängen wie Lukas zum Beispiel.
    Steig auf, sagt Nico und stellt die Füße aufs Pedal.
    Ich stelle mich hinten auf die Trickachsen vom BMX , und Nico fährt los.
    So mitten in der Nacht ist kaum jemand unterwegs, die Stadt treibt an uns vorbei, die Häuser, die Bäume, die Ampeln, die ganze Yorck fahren wir runter, die Kleist und den Ku’damm, wir reden kaum, nur die Dosen klackern leise in Nicos Rucksack. Ich bin noch nie so weit mit dem Fahrrad gefahren, überhaupt fahre ich sowieso nie Fahrrad, aber bei Nico hinten auf den Trickachsen stehen, mag ich gern, ich mag es auch, wie Nico nie nach links und rechts schaut, wenn wir eine Straße überqueren. Theoretisch könnten wir an jeder Straßenecke totgefahren werden, und das fühlt sich jedes Mal an, wie wenn man mit dem Leben Schnik Schnak Schnok spielt, aber als ich sehe, dass er plötzlich auf die Autobahn abbiegt, wird mir doch ein bisschen komisch.
    Spinnst du, schreie ich.
    Nico lacht und rast den Standstreifen runter, die Autos, die an uns vorbeifahren, hupen wie blöde.
    Ist gleich vorbei, ist eine Abkürzung.
    Er legt sich in die Kurve und biegt an der nächsten Ausfahrt ab. Wir fahren unter der S-Bahn-Brücke durch, immer geradeaus, bis die Lichter immer kleiner und weniger werden. Die Geräusche, die von der Autobahn zu uns dringen, werden leiser und leiser, und irgendwann hört man fast gar nichts mehr, nur das Rauschen der Baumkronen im Wald. Das BMX buckelt wie ein junges Pferd über die Baumwurzeln. Nico bremst.
    Du hast sie ja wohl nicht mehr alle, sage ich.
    Das Gegenteil von Leben ist Langeweile, sagt Nico und grinst.
    Was ist das denn für ein Scheißspruch?
    Jetzt stell dich nicht so an, ist doch alles gut gegangen.
    Langsam gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit. Kommt mir vor, als wäre es eine halbe Ewigkeit her, dass Jameelah und ich auf demselben Weg Amirs Präsentkorb geschleppt haben, dabei war das doch erst heute Nachmittag. Unter unseren Füßen knacken Äste,

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