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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie de Velasco
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Struck gefragt, kommt der etwa schon am ersten Schultag zu spät?
    Wir haben alle geschwiegen. Die Struck hat natürlich nur Bahnhof verstanden, sie hatte in Südafrika von der ganzen Sache nichts mitbekommen und im Lehrerzimmer wohl noch keine Zeit gehabt, das Neueste zu hören. Jameelah hat sich irgendwann gemeldet.
    Er kommt erst morgen wieder, hat sie gesagt.
    Plötzlich schubst mich jemand. Jameelah steht vor mir auf dem Gehsteig und schaut mich böse an.
    Was machst du hier?
    Auf Amir warten, sage ich.
    Warte gefälligst woanders.
    Ich kann hier warten, soviel wie ich will.
    Verräterschweine dürfen nicht vor meiner Tür rumstehen, sagt Jameelah.
    Das ist nicht deine Tür, und ein Verräter bin ich auch nicht.
    Bist du wohl.
    Bin ich nicht.
    Ach, stirb langsam, sagt Jameelah und spuckt auf den Boden.
    Lass das.
    Gar nichts lasse ich.
    Pass bloß auf, sage ich.
    Worauf, sagt Jameelah, meinst du, ich hab Angst vor dir, sagt sie und spuckt wieder.
    Die Spucke landet dicht neben meinen Flipflops.
    Noch einmal, sage ich, und es passiert ein Unglück.
    Jameelah lacht laut.
    Ein Unglück? Das will ich sehen, Verräterschwein.
    Sie spuckt wieder, diesmal genau auf meine nackten Füße.
    Zack.
    Einfach so. Ich überlege gar nicht groß, mein Hirn setzt komplett aus, fühlt sich irre gut an, so ein ausgesetztes Hirn, und zack, hat Jameelah meine Faust im Gesicht, zack, geht voll schnell, Nico hat mir mal gezeigt, wie das geht, so was kann man immer gebrauchen, hat er gesagt, links, links, rechts, links, links, rechts, immer auf seinen Boxsack drauf. Diesmal boxe ich gleich rechts, aber Jameelah ist kein Boxsack, und als sie tatsächlich hinfällt, da bereue ich es schon gleich wieder.
    Tschuldigung, sage ich, tschuldigung, tschuldigung.
    Ich strecke ihr die Hand hin, aber da steht Jameelah schon wieder neben mir, und im nächsten Moment rammen sich ihre langen Fingernägel in meine Wangen. Ich schreie los vor Schmerz, ich versuche zu boxen, aber Jameelah hält meine Handgelenke fest, haut mir ihr Knie in den Magen, und schon liege ich mit dem Gesicht im Straßenstaub, eine Handbreit entfernt von einem Riesenhaufen Hundescheiße. Ich versuche Jameelah von meinem Rücken runterzubekommen, geht auch kurz, aber kaum habe ich mich umgedreht, da sitzt sie schon wieder auf mir und bearbeitet mit ihren Knien meine Oberarme.
    Verräterschwein, Verräterschwein, schreit sie.
    Hör auf, schreie ich.
    Verräterschwein, Verräterschwein!
    Hör endlich auf, du brichst mir die Arme, schreie ich, da höre ich plötzlich jemanden rufen.
    Hört auf, alle beide, sofort!
    Ich würde ja gern aufhören, aber weil Jameelah nicht aufhört, höre ich auch nicht auf, doch dann kommt das Wasser, nass und eiskalt, panisch schnappe ich nach Luft.
    Wer seid ihr, schreit Amir, er steht neben uns auf dem Gehsteig, in der Hand einen roten Eimer, seid ihr Hunde oder seid ihr meine Freunde?
    Mein einer Flipflop ist in der Mitte durchgebrochen. Meine Tasche mit den Schwimmsachen ist aufgegangen, Badezeug, Sonnenmilch, Kippen und Tampons liegen verstreut auf dem Boden. Mein Gesicht brennt, meine Arme tun irre weh.
    Ich mach das hier nicht länger mit, schreit Amir, ihr sollt euch endlich wieder vertragen, habt ihr gehört!
    Langsam stehe ich auf.
    Von mir aus, sage ich, von mir aus gern.
    Jameelah schaut mich an, ihre Haare stehen wirr in alle Richtungen ab, und von der Lippe tropft Blut auf ihr Spaghettitop. Kurz denke ich, sie reicht mir die Hand, aber sie nimmt nur ihre Tasche vom Boden und sagt, niemals, und dann läuft sie weg in Richtung Spielplatz.
    Warte, rufe ich ihr hinterher, aber Jameelah dreht sich nicht mehr um. Mein Mund schmeckt nach Sand. Ich spucke auf den Boden.
    Tolle Begrüßung, sagt Amir und verzieht das Gesicht.
    Tschuldigung.
    Der Schmerz in meinen Armen lässt langsam nach, aber mein Gesicht brennt immer noch.
    Wie gehts dir, frage ich.
    Gut.
    Kommst du klar, frage ich? Ich meine mit all dem?
    Hör zu, sagt Amir, ich will nicht drüber reden, über all das. Über nichts von all dem, klar.
    Alles klar.
    Alles klar.
    Alles Gute zum Ramadan, sage ich.
    Danke, für dich auch. Bayram Mubarek.
    Wollen wir los?
    Amir grinst.
    Heute springe ich vom Zehner.
    Deine Mutter, sage ich, kurz denke ich, das hätte ich besser nicht sagen sollen, aber ich meine ja gar nicht seine wirkliche Mutter, so was sagt man ja einfach nur daher, da kann man mal sehen, was man sich plötzlich für einen Kopf machen muss wegen bestimmter Wörter, die man so

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