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Tigermilch

Tigermilch

Titel: Tigermilch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie de Velasco
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ist der Ring. Ich gehe zurück nach oben und packe den Ring in einen Briefumschlag.
    Dragan schreibe ich vorne drauf, und in Klammern Wischegrad .

Ich bin müde, typisch achte, neunte Stunde. Die Struck labert irgendwas vom Zitronensäurezyklus, dabei malt sie verrücktes Zeugs an die Tafel und redet ununterbrochen. Ihr Mund, dieser dicke pink bemalte Gummiring, steht nicht eine Sekunde still. Je komplizierter etwas ist, desto schneller erklärt die Struck es und desto weniger Fragen darf man stellen, ich kenne das schon, deswegen lasse ich es lieber gleich sein. Normalerweise spielen Jameelah und ich in der achten, neunten Stadt Land Aids, aber jetzt sitze ich neben Amir, und der schreibt fleißig mit, dieser Streber, als ob er weiß ich was alles nachholen müsste.
    Auf dem Schulhof malt ein Mann in verschmierten Malerklamotten die Linien vom Völkerballfeld weiß nach. Als er damit fertig ist, geht er rüber zum Pausenpilz und raucht eine. Ich muss an Nico denken, daran, dass er jetzt auch irgendwo in der Stadt in verschmierten Malerklamotten was anstreicht und zwischendurch eine raucht. Ich schiele so unauffällig wie möglich nach hinten zu Jameelah. Sie spielt Käsekästchen mit sich selbst und merkt gar nicht, wie die Struck ihr immer näher kommt.
    Hallo, hier spielt die Musik, sagt die Struck und schnippt mit ihrem Finger vor Jameelahs Gesicht herum, erkläre mir doch mal diese Teilreaktion hier.
    Was, sagt Jameelah.
    Das hier, sagt die Struck, geht zurück nach vorn und haut mit dem Geodreieck auf den rechten Teil der Tafel.
    Keine Ahnung, sagt Jameelah, ich mag nichts Saures.
    Der Malermensch sitzt immer noch auf dem Pausenpilz und raucht. Ich will gerade den Kopf auf die Schulbank legen und schlafen, da geht hinten auf der anderen Seite vom Schulhof die Tür von der Turnhalle auf. Anna-Lena rennt über den Schulhof in Richtung Mädchenklo und holt dabei was unter ihrem Pullover hervor. Ich schiele wieder nach hinten zu Jameelah, die hat aufgehört, Käsekästchen zu spielen, und schaut wie gebannt nach draußen. Ich halte mir die Hand vor den Bauch, verziehe das Gesicht und melde mich.
    Jetzt sag bloß, du weißt die Antwort, sagt die Struck.
    Nein, sage ich, mir ist nur total schlecht.
    Die Struck zieht die Augenbrauen hoch.
    Ehrlich, Frau Struck, ich muss mal kurz raus.
    Na, dann ab mit dir.
    Ich laufe die Treppen runter über den Schulhof zu den Mädchenklos und stoße leise die Tür auf. Da kotzt jemand auf einem der Klos, da kotzt und heult jemand. Ich schleiche in die Kabine nebenan, Heulen, Kotzen, dann Stille, dann wieder Heulen, Kotzen, dann Stille, immer abwechselnd, bis was ausgepackt wird, es ist aber kein Tampongeknister, sondern eher Verpackung, wie Medizin oder irgendwas aus der Apotheke, dann Pinkelgeräusche. So leise wie möglich steige ich auf die Klobrille und schaue rüber. Da steht Anna-Lena und hält einen Schwangerschaftstest in der Hand.
    Was machst du da, frage ich, dabei ist es ziemlich offensichtlich.
    Starr vor Schreck schaut sie mich an, ich springe von der Klobrille runter und klopfe gegen die Tür.
    Mach auf.
    Nein, ruft sie, hau ab.
    Mach auf, sage ich, sonst gehe ich zum Hausmeister.
    Das Schloss dreht sich von Rot auf Weiß. Anna-Lena hockt auf der Klobrille, das Gesicht komplett zugeschwollen vom Heulen und die Haare voller Kotze und Schnodder, Frieda Gaga, so gar nicht mehr wie mit Perwoll gewaschen. Egal was jetzt noch kommt, den Tag streiche ich mir auf jeden Fall schon mal rot im Kalender an, denke ich.
    Zeig mal den Test, sage ich.
    Lass mich in Ruhe, sagt Anna-Lena.
    Ich gehe rüber zum Waschbecken und reiße einen Haufen Papiertücher aus dem Automaten, da geht die Tür auf. Es ist Jameelah, steht da vor mir, die Hände in die Hüften gestemmt, in den Augen der böse Blick.
    Was ist hier los, fragt sie.
    Ich zeige mit dem Daumen in Richtung Klo.
    Sie ist vielleicht schwanger, sage ich.
    Was? Von wem?
    Keine Ahnung, gute Frage.
    Jameelah hechtet nach hinten durch.
    Stimmt das, sagt sie, aber Anna-Lena schweigt.
    Stimmt das, habe ich gefragt!
    Was geht euch das an, sagt Anna-Lena.
    Wo ist der Test, sagt Jameelah, aber Anna-Lena versteckt die Hände hinterm Rücken.
    Jameelah schnauft nur.
    Ich scheiß auf deinen Test, von wem ist es, aber Anna-Lena presst den Mund fest zusammen, als ob das irgendwie helfen würde.
    Von wem, sagt Jameelah wieder, sie packt Anna-Lena an den Schultern und schüttelt sie kräftig durch, von wem, sagt sie, aber als Anna-Lena wieder

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