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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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Straße raste.
    »Was meinst du mit komplett?«, fragte er, um Zeit für die Antwort zu gewinnen, denn er war ein paar Minuten eingenickt und wollte das nicht eingestehen.
    Jimmys Augen schauten ihn im Rückspiegel amüsiert an. »Tu nicht so, Miguel Ángel. Das hier ist kein Picknickausflug.«
    Morgado öffnete seine Tasche und kramte Lampen, Seile, Walkie-Talkies, eine Wasserflasche aus Aluminium und ein Jagdmesser hervor.
    Elena, das Mädchen neben ihm, riss ihm die Tasche aus den Händen und hielt sie mit der offenen Seite nach unten.
    Zwei Löffel, ein Taschencomputer und die Neuausgabe eines Überlebenshandbuchs der US Army fielen auf den Sitz. Sie musste lachen.
    »Was hast du gefunden?«, fragte Lucy, Jimmys Freundin und die offizielle Patin der Cuervos. »Kondome oder aufblasbare Puppen?«
    Elena zeigte ihr das Handbuch.
    Jetzt lachten alle drei schallend.
    »Was ist mit dir los, Miguel Ángel?«, fragte Jimmy. »Hast du so wenig Vertrauen in uns? Glaubst du, wir werden dich mitten in der Wüste aussetzen?«
    »Es ist nur …«, versuchte der Anwalt sich zu verteidigen.
    »Obwohl, eigentlich gar keine schlechte Idee, dich in der Laguna Salada auszusetzen und zu sehen, wie du es anstellst, zu überleben. Was meinst du, Elena?«
    Das Mädchen sah Morgado an wie ein wildes Tier. »Nachdem ich ihn gefressen habe«, sagte sie mit einem Lächeln, das eher bedrohlich als verführerisch aussah, »können wir die Reste in den Dünen zurücklassen.«
    »Das ist meine Elena«, rief Lucy, und beide schauten Morgado an wie zwei großmütige Löwinnen ein Hirschkalb.
    »Lasst ihn in Ruhe, Mädchen«, versuchte Jimmy ihn zu retten.
    »Oh, wie fürsorglich!«, rief seine Freundin aus.
    Um die Diskussion zu beenden, stellte er das Radio auf volle Lautstärke. Die Stimme von Julieta Venegas brachte Morgados Trommelfell fast zum Platzen. Die Frauen schauten ihre Erste-Hilfe-Ausrüstungen durch.
    »Ich habe gestern Nacht im Kabelfernsehen diesen alten Film mit David Reynoso gesehen«, stammelte Morgado völlig unpassend.
    Jimmy stellte das Radio noch lauter.
    »Ich sagte, ich habe gestern Nacht diesen Film gesehen, der in der Wüste spielt, hier in der Nähe von Mexicali, in Sonora. Erinnert ihr euch?«
    »Der mit George Clooney?«, fragte Lucy erwartungsvoll.
    »Nein. Der mit den Eisenbahnern, die sich in der Wüste verlaufen.«
    »Ja«, sagte Jimmy. » Viento negro. Es waren Ingenieure, und sie sind verdurstet. Sie waren zu viert, glaube ich. Sie waren dabei, die Eisenbahntrasse zu bauen, die Sonora mit Baja verbindet. Good movie. Und das hat dir Angst gemacht?«
    »Nun, ja. Wie du schon sagtest, wir fahren nicht zu einem Picknick.«
    »Nein«, sagte Elena ernst, »wir sind die Cuervos, und das ist ein Rettungstrupp.«
    »Du sprichst wie Arnold Schwarzenegger«, erwiderte Morgado. Elena schlug ihm auf die Schulter, und Morgado lachte.
    »Was ich sagen wollte«, fuhr er fort und rieb sich die Schulter, damit die zärtliche Geste à la Cuervos keinen blauen Fleck hinterließ, »man muss Vorkehrungen treffen. So trainiert ihr euch auch fühlt, es kann uns trotzdem etwas zustoßen. Ihr wisst ja, was mit den mexikanischen Soldaten geschehen ist. Sie haben ein Überlebenstraining in dem Gebiet gemacht, und ein Dutzend von ihnen ist an Austrocknung gestorben.«
    Jimmy beschloss, die Straße zu verlassen und einen Seitenweg zu nehmen, und antwortete dann stellvertretend für den Motorradklub, den er anführte: »Ja, weil sie keinen Funk dabeihatten. Und es waren Soldaten aus dem Süden. Sie waren an diese Hitze nicht gewöhnt. Sie starben an der Sonneneinstrahlung. Ein Hitzschlag, und das wars.«
    »Mir geht es genauso«, sagte Morgado, der sich wie bei einer Befragung beim Minister fühlte, »meine Akklimatisierung besteht darin, aus meinem Hotelzimmer zu den Büros der Binationalen Kommission für die Rechte der Migranten zu fahren. Von einer Klimaanlage zur nächsten. Vergesst nicht, ich lebe in Mexico City, und da schaut die Sonne nur gelegentlich vorbei. Da kann man wohl kaum von Klimaanpassung sprechen.«
    »Du bist nicht von hier, sagst du? Und du bist auch nicht zufällig in Mexicali mitten im Sommer geboren?« Jimmy ging zum Gegenangriff über.
    »Doch. Doch. Aber ich habe diese Gefilde vor zu vielen Jahren verlassen, um mich noch an das harte Wüstenklima zu erinnern.«
    »Wenn du auf Sand gebissen und Wasser aus dem Rio Colorado getrunken hast, ist dein Schicksal besiegelt, Miguel Ángel. Du bist einer von uns. Du bist ein

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