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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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dorniger Kaktus, da kannst du dich noch so als Hauptstädter mit Anzug und Krawatte verkleiden.«
    Morgado senkte den Kopf, er hatte verloren.
    »Also ein Kaktus?« Elena rückte näher an ihn heran und zog ihre Hose herunter, damit er ihre rechte Pobacke sehen konnte: Dort war in Rot und Violett ein aufragender, schlanker Kaktus eintätowiert. Darunter stand ein Name: Javier. Elena zog die Hose wieder hoch, und Morgado saß da, ihm blieb die Spucke weg. Seine Verwirrung wurde noch größer, als Elena ihm zuzwinkerte und ihm ins Ohr flüsterte: »Mit dem Typen ist es aus. Wenn du willst, gebe ich dem Kaktus deinen Namen. Wie wärs?«
    Vom Beifahrersitz aus ließ Lucy das Paar nicht aus den Augen. »Jetzt sag schon ja, Miguelito, sie ist geiler als die ganze Wüste hier.«
    »Was weißt du denn schon?«, erwiderte Elena.
    Aber noch bevor es zu einem Wortgefecht kam, flogen alle nach rechts, weil Jimmy rasant eine Rechtskurve genommen hatte. »Nun kommt mal wieder runter«, schrie er. »Spart euch eure Energie für die Bedürftigen auf.«
    Über Funk kam knisternd eine Stimme, beherrscht, aber offensichtlich in Not.
    »Hört ihr mich, Cuervos? Hört mich jemand?«
    »Klar und deutlich«, antwortete Jimmy. »Was ist los, Toño?«
    »Eine Gruppe von zwanzig Leuten. Sie haben die Nacht hinter dem Cerro Centinela verbracht. Die Idioten haben sich vor etwa vier Stunden auf den Weg gemacht. Sie werden in die größte Mittagsglut kommen und haben nicht mehr als eine Flasche Wasser dabei.«
    »Und die Schleuser?«
    »Die haben sich schon aus dem Staub gemacht, die Mistkerle.«
    »Was brauchst du?«
    »Ich habe eine schwangere Frau gefunden. Es geht bald los. Das ist nicht so mein Ding.«
    »Jetzt plötzlich?« Lucy nahm Jimmy das Mikrofon aus der Hand. »Du bist doch unser Obermacho, der Gigolo mit dem Goldpimmel.«
    »Bist du das, Luciana?«, hörte man die knisternde Stimme fragen.
    »Wie hast du das bloß erraten?«
    »Weil … gut … später. Es brennt. Ist ein Arzt bei euch?«
    Die vier schauten sich an. »Ich habe letztes Jahr einen Krankenschwesternkurs beim Roten Kreuz gemacht«, sagte Elena.
    »Ich habe mehr als zehn Kinder auf die Welt gebracht, als ich in Chiapas gearbeitet habe«, sagte Morgado. »In den Bergen. In einer notdürftig eingerichteten Ambulanz.«
    Das genügte Jimmy. »Wir kommen, Toño. Sag mir, wo du bist.«
    »Südwesten. Zwölf Kilometer hinter der Cañada del Lobo.«
    »Das ist mitten im Niemandsland«, bemerkte Lucy.
    »Mitten im Herzen der Laguna Salada«, bestätigte Jimmy.
    Der Wagen ruckelte gewaltig, als sie auf einen völlig unmarkierten Weg fuhren, bei dem nur die hinter ihrem Rücken aufsteigende Sonne als Orientierung diente. Das erste flimmernde Licht ließ einen ebenen, hellen Horizont erkennen, der im Nichts anfing und im Nichts endete. Es gab keine Grenzen und keine festen Umrisse.
    »Wie warm ist es?«, fragte Morgado.
    »Da draußen dürfte es so um die vierzig Grad Celsius sein«, antwortete Elena. »Und dabei ist es erst sieben Uhr morgens.«
2
     
    »Da sind sie.« Morgado hätte sich den Hinweis sparen können: Zwei weitere Geländewagen mit dem Emblem der Cuervos dienten als Befestigung für eine Zeltplane, die sieben Migranten aus Veracruz und Tabasco und einem Dutzend Motorradfahrern Schutz bot, die ihren Landsleuten helfen wollten.
    Nach dem üblichen Begrüßungsritual der Straßenpiraten, von dem ihm immer der Rücken wehtat, ging Morgado zu der schwangeren Frau. »Wie oft kommen die Wehen?«
    »Alle fünf Minuten«, sagte ein Mädchen, das die Hand der Gebärenden hielt.
    »Dann kommen wir gerade noch rechtzeitig.«
    Als er sich zu Elena umdrehte, stellte er fest, dass sie sich auskannte. Der Arztkoffer mit sterilen Zangen und Scheren lag schon bereit.
    »Haben wir Tetanusimpfstoff?«
    »Ja.«
    Die Frau stöhnte und krümmte sich unter dem extremen Schmerz einer Wehe zusammen. Morgado sah ihr in die Augen und wusste, was Sache war. Er zog die Handschuhe an und streckte die Hand aus. Elena legte sofort die Schere hinein.
    »Es ist ihre erste Geburt«, sagte der Anwalt, der jetzt hauptberuflich Arzt war, »und es gibt Probleme mit dem Kind. Ich glaube, es kommt mit den Füßen zuerst. Wir müssen sie aufschneiden, damit wir es holen können, bevor es erstickt.«
    Elena injizierte der Frau eine örtliche Betäubung. Morgado setzte sofort den Schnitt. Wenig später hörte man zwei Schreie, den der Mutter und den des Neugeborenen.
    »Wie geht es ihm? Wie geht es ihm?«,

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