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Tijuana Blues

Tijuana Blues

Titel: Tijuana Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Trujillo Muñoz
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Polizei von Baja California dafür bezahlt, für euch die Leiche zu entsorgen?«
    Harry nahm einen Schluck von seinem Whisky und eine Hand voll Erdnüsse, bevor er antwortete. »Edmundo Burruel. Er ist der Schlüssel.«
    »Der Doppelspion.«
    »Burruel wurde mit einer undankbaren Aufgabe betraut: Er sollte sich um einen kleinen Plutoniumbehälter kümmern, der heimlich aus dem Giftmülllager von Los Alamos in New Mexico entwendet wurde und den ein sowjetischer Agent Ende 1955 nach Tucson transportiert hatte. Das FBI war all diesen Spionen schon auf den Fersen. Deswegen die Eile. In Tucson hat dieser Agent Burruel den Behälter übergeben, der damals bereute, Kollaborateur der seelenlosen Kapitalisten gewesen zu sein, und jetzt Loblieder auf Väterchen Stalin sang. Er schaffte das Plutonium am 30. Dezember jenes Jahres über die Grenze nach Mexiko und lieferte sich eine Schießerei mit den Agenten des FBI, die hinter ihm her waren. Wie in einem Hollywoodfilm.«
    »Und der Behälter wurde bei Doktor Islas aufbewahrt?«
    »Genau. Ein Genosse aus demselben Kreis von Grenzspionen, zu dem auch Burruel gehörte. Eher ein Sympathisant. Und er hatte den schlechtesten Part: Er bekam das Plutonium.«
    Morgado bestellte noch ein Mexicali-Bier. So langsam kam Licht in den Fall. »Der Arzt versteckte den Behälter und wurde verstrahlt«, schloss er.
    Harry schaute wieder auf das bläulich schimmernde Wasser des Hotelschwimmbades, als hätte er einen Atomreaktor vor sich. »Spezialisten der ABC-Abwehr der US Army inspizierten alle Orte, an denen Burruel gelebt hatte. Darunter auch Mexicali. Im Krankenhaus Auxilio Perpetuo spielten die Geigerzähler verrückt. Sie konnten für Burruel nichts mehr tun. Ich glaube, dass du es schon weißt, aber er wurde animiert, uns alles zu erzählen.«
    »Sie haben ihn gefoltert, nicht wahr?«
    »Burruel starb, ohne etwas verraten zu haben. Er wurde in irgendeinem versiegelten Friedhof in Arizona begraben. Sein Strahlenwert war dreimal höher als der normale, dabei hatte er den Behälter nur für zwölf Stunden. Im Unterschied zu Servando Islas kam er auf die schlechte Idee, den Behälter zu öffnen und sich den Inhalt anzusehen. So setzte er sich einer hohen Strahlendosis aus. Daran ist er nicht gestorben, sondern an den Kugeln, die er beim Überqueren der Grenze abbekam.«
    Morgado trank von dem Bier und stellte sich den Tod der beiden, ihre Schmerzen vor. Szenen eines vergessenen Krieges, in dessen Akten seit einem halben Jahrhundert keiner mehr seine Nase reingesteckt hatte.
    »Und was passierte mit Islas?«
    »Er starb hier. Ein Kommando, nun ja … eines Geheimdienstes der Regierung drang am 17. Januar 1956 in das Krankenhaus Auxilio Perpetuo ein. Doktor Islas lag schon im Sterben. Offensichtlich hatte er wenige Stunden zuvor selbst diagnostiziert, an was er litt, und den einfachen Weg gewählt.«
    »Selbstmord?«
    »Er war bereits sehr schwach. Ein paar Schlaftabletten reichten, um ihn in einen Schlaf ohne Wiederkehr zu befördern. Als sie ihn fanden, war es zu spät, um noch etwas zu machen.«
    »Und was haben die Leute von deinem ach so geheimen Dienst gemacht?«
    »Das wirst du dir denken können. Er war ein heißes Eisen.«
    »Ein radioaktives Eisen, vergiss das nicht, Harry.«
    Harry hatte das nicht vergessen und bestellte einen dritten Whisky. »Eine radioaktiv verseuchte Leiche, die man nicht mit nach Hause nehmen wollte. Also sprachen sie mit der Gruppe judiciales, die sie begleitet hatte. Für ein paar Extrascheine boten sie ein besseres Verfahren an.«
    »Die dreckige Wäsche Mexikos wird auch hier gewaschen.«
    » Yes, Morgado, das weißt du. Aber die CIA wollte sie nicht gewaschen, sondern weg von der Bildfläche haben.«
    »Die Polizisten begruben Doktor Islas in der Laguna Salada, und alle waren zufrieden.«
    »Mehr oder weniger.«
    »Wieso mehr oder weniger?«
    »Meine Regierung war aus zwei Gründen alles andere als zufrieden mit der Handhabung des Falles. Sie wusste nicht, ob es noch mehr rote Spione in Mexicali gab. Und so wurde ein Überwachungsteam im Bereich der Klinik postiert, und falsche Meldungen wurden in der Presse lanciert, um zu sehen, ob einer den Köder schluckt.«
    »Und?«
    »Niemand kreuzte auf, außer Patienten, die nach dem Doktor fragten, oder Freunde von ihm, die bereits genau überprüft worden waren und keine Kontakte zu den Kommunisten hatten.«
    »Und der andere Grund?«
    Harry lächelte verschmitzt. »Wir haben der mexikanischen Polizei nie

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