Tim Burton: Der melancholische Magier. Mit einem Vorwort von Johnny Depp (German Edition)
zumindest die Schauspieler ihren Schwung behalten. Wir haben schnell gearbeitet und viel improvisiert.
Die Green-Screen-Aufnahmen wurden dann von Sony Imageworks in die digitalen Kulissen eingefügt, was über ein Jahr in Anspruch nahm. Verantwortlich war Ken Ralston, der für seine Arbeit bereits fünf Academy Awards gewonnen hatte und bei Jurassic Park, Star Wars, Forrest Gump und Zurück in die Zukunft beteiligt war. Die Postproduktion gestaltete sich als äußerst mühseliger Prozess, der bis kurz vor Kinostart des Films andauerte.
Es ist das genaue Gegenteil zur traditionellen Vorgehensweise. Normalerweise dreht man einen Film und verbringt dann sechs Monate oder auch ein Jahr damit, ihn zu schneiden. Und so sollte es auchsein – man sieht, was man hat, und bearbeitet das Material. Hier dagegen haben wir einen Soundtrack komponiert und alles Mögliche gemacht, ohne einen fertigen Film zu haben. Das Ganze war ein merkwürdiges Puzzle, bei dem man nicht weiß, wie es am Ende aussehen wird. Die Figuren, den Animationsstil und andere Dinge haben wir bis zum Schluss ständig aneinander angepasst. Es war das seltsamste Projekt, an dem ich je gearbeitet habe, und ich würde mich nicht noch einmal auf so etwas einlassen. Es gleicht einem Wunder, dass am Ende überhaupt etwas Sinnvolles dabei herausgekommen ist.
Johnny Depp als Hutmacher
Während ED WOOD von Touchstone Pictures produziert wurde, dem ehemaligen Erwachsenenlabel von Walt Disney, stellte ALICE IM WUNDERLAND Burtons erste Zusammenarbeit mit dem Mutterkonzern seit NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS dar.
Ich hatte immer eine merkwürdige Beziehung zu Disney. Es ist schon witzig: Der Konzern hat mich mehrere Male rausgeworfen, um mich dann doch wieder mit offenen Armen zu empfangen. Und auch wenn die Leute dort wechseln, hat sich an der zwiespältigen Einstellung mir gegenüber nichts geändert. Weil ich meine Karriere dort begonnenhabe, fühle ich mich dem Konzern immer noch ein wenig verbunden. Interessanterweise wussten die Leute bei Disney bis zum Schluss nicht, wie der Film werden würde, weil es noch nichts gab, was wir ihnen hätten zeigen können. Ich bewundere ihren Mut, dass sie das so einfach akzeptiert haben – dass sie mir so viel Vertrauen entgegengebracht haben.
Während Burton mit Hochdruck daran arbeitete, ALICE IM WUNDERLAND rechtzeitig zum Kinostart fertigzustellen, lieferte sich Walt Disney Studios ein öffentliches Gefecht mit einigen Kinobetreibern darüber, wann der Film auf DVD erscheinen sollte. Disney wollte die üblichen siebzehn Wochen, die Filme in den Kinos laufen, in den USA und einigen anderen Ländern auf zwölf verkürzen. Europäische Kinobesitzer liefen gegen die Idee Sturm und drohten damit, den Film zu boykottieren. Bis zum Morgen der Weltpremiere von ALICE IM WUNDERLAND in London war Burton sich nicht sicher, wie viele Kinos in Großbritannien den Film überhaupt zeigen würden.
Unglücklicherweise hat das Studio beschlossen, unseren Film für ein Experiment zu missbrauchen. Noch einen Tag vor der endgültigen Entscheidung hatte ich einen Auftritt im Frühstücksfernsehen der BBC und musste eingestehen, dass ich nicht einmal genau wüsste, ob der Film überhaupt in Großbritannien anlaufen würde. Es war eine sehr traumatische Erfahrung. Zum Glück hat es dann ja doch noch geklappt.
ALICE IM WUNDERLAND kam am 5. März 2010 in die Kinos. Bis jetzt spielte der Film eine Milliarde Dollar ein, was ihn zu Burtons bislang größtem finanziellen Erfolg macht.
Ich bin sehr stolz auf den Film, besonders wenn ich an den Entstehungsprozess zurückdenke. Ich habe ihn mir seitdem nicht mehr angesehen, aber ich bin mit dem Ergebnis zufrieden. Auch wenn es ein paar schlechte Kritiken gab, habe ich doch das Gefühl, dass er den Zuschauern gefallen hat, und das freut mich sehr.
FILMOGRAFIE
1982
VINCENT
Produzent Rick Heinrichs
Regie Tim Burton
Drehbuch Tim Burton
Kamera (s/w) Victor Abdalov
Darsteller Vincent Price (Erzähler)
Länge 5 Min.
Premiere 1. Oktober 1982
Der siebenjährige Vincent Malloy bildet sich ein, Vincent Price zu sein.
1983
HANSEL AND GRETEL
Executive Producer Julie Hickson
Regie Tim Burton
Drehbuch Julie Hickson
Darsteller Michael Yama, Jim Ishida
Länge 45 Min.
Premiere 31. Oktober 1983
Verfilmung des grimmschen Märchens »Hänsel und Gretel« mit japanischen Darstellern.
1984
FRANKENWEENIE
Produktionsfirma Walt Disney
Produzentin Julie Hickson
Regie Tim Burton
Drehbuch Lenny Ripp, auf der
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