Tim Burton: Der melancholische Magier. Mit einem Vorwort von Johnny Depp (German Edition)
Drehbuch las und davon restlos begeistert war. Und ihrem guten Ruf ist es zu verdanken, dass sich bald auch andere Schauspieler dafür interessierten. Sie war in vieler Hinsicht mein Schutzengel.
Die Cheerleaderin Kim verlässt im Film ihren machohaften Freund (gespielt von Anthony Michael Hall), um mit Edward zusammen zu sein – was häufig als Burtons Rache an den Machos seiner Schulzeit gedeutet wird.
Diese Typen haben mich in meiner Schulzeit immer fasziniert. Sie hatten jede Menge Freundinnen und waren sehr beliebt – und trotzdem irgendwie psychotisch. Wenn ein Mädchen mit einem dieser Typen zusammenblieb und ihn nach der Highschool heiratete, dann standen die Chancen gut, dass er sie früher oder später verprügelte.So läuft das halt: Das scheinbar Normale entpuppt sich oft genug als das genaue Gegenteil.
Ich bin einmal zu einem Schultreffen gegangen, da konnte man das sehr gut beobachten. Die Leute, die in der Schule als Außenseiter und Freaks galten und von den anderen verspottet wurden, waren erfolgreicher und attraktiver – nicht nur rein äußerlich, sondern auch als Menschen. Die anderen hingegen sind verblasst. Die Machos und Klassenpräsidenten hatten in der Highschool ihren Höhepunkt. Es war wirklich erschreckend, weil es einige meiner Vermutungen bestätigt hat. Diejenigen, die immer gehänselt wurden, mussten sich auf ihre Fähigkeiten besinnen. Sie konnten sich nicht darauf verlassen, dass die Gesellschaft sie auffängt, sondern mussten sich ihren eigenen Weg suchen.
Halls Figur wird kurz darauf getötet – eine Szene, die manche Zuschauer verstörte, weil sich dadurch der Erzählton des Films verändert.
Vermutlich war das eine Rachefantasie, die seit der Schulzeit in mir geschlummert hat. Da musste ich wohl mal ein bisschen Dampf ablassen.
Für die kleine, aber zentrale Rolle als Edwards Erfinder/Vater engagierte Burton Vincent Price, mit dem er seit ihrer Zusammenarbeit bei VINCENT befreundet war.
Dass er die Rolle angenommen hat, obwohl sie eher klein war, fand ich sehr rührend. Er hat einfach eine tolle Präsenz. Der Film ist voller Symbolik und vielschichtiger Themen. Dass ich ihn für diese Rolle engagiert habe, hatte sicher damit zu tun, dass ich früher seine Filme gesehen hatte und er für mich so etwas wie ein Mentor war. Ich war sehr froh, dass er bei EDWARD mitgewirkt hat und ich ihn dadurch besser kennenlernen durfte. Bei der Arbeit an VINCENT hatten wir uns angefreundet, und ich habe lockeren Kontakt zu ihm gehalten, selbst während ich wegen der Dreharbeiten zu BATMAN in England war. Er war einer jener Menschen, mit denen man ständig in Verbindung blieb, selbst wenn man sie nur gelegentlich mal traf. Er war absolut großartig.
Edward mit den Scherenhänden und sein Erfinder/Vater (Vincent Price)
N achdem die Arbeit an EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN beendet war, begann Burton einen Dokumentarfilm über Vincent Price, der 1993 verstarb. Der Film trug den Arbeitstitel CONVERSATIONS WITH VINCENT .
Ich wusste, dass es ihm gesundheitlich nicht gut ging. Er wurde sehr krank, nachdem seine Frau kurz nach den Dreharbeiten zu dem Dokumentarfilm starb. Er hat sie sehr geliebt, und vielleicht wollte er ihr folgen. Ich habe um ihn getrauert. Es war ein großer Verlust. Er war ein ungewöhnlicher Mensch, der viel geleistet hat.
Edward lebt allein auf dem Speicher eines gotischen Schlosses – ein typischer Wohnort für eine Figur aus einem Burton-Film.
Im Hinblick auf den Symbolgehalt hat es etwas mit Isolation zu tun. Aber es ist auch eine Reaktion auf meine Jugend in der Vorstadt. Wenn man in Suburbia aufgewachsen ist, entwickelt man alle möglichen Fantasien und träumt sich fort aus dieser Welt, die so weiß und glatt ist wie das Innere eines Schuhkartons.
Tim Burton und Vincent Price
W ie der Film Frankenstein von James Whale und Burtons FRANKENWEENIE endet auch EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN damit, dass eine aufgebrachte Menschenmenge das »böse Geschöpf« – in diesem Fall Edward – vor seinem Schloss stellt.
Wenn man mit diesen Filmen aufwächst, stellt man automatisch Verbindungen zu seinem eigenen Leben her. In der Vorstadt sieht man die Nachbarn nur dann auf der Straße, wenn irgendetwas passiert ist, ein Unfall zum Beispiel. Dann kommen die Leute heraus, um zu gaffen. Das hat mich schon immer fasziniert. Zwischen dem Leben in der Vorstadt und einem Horrorfilm gibt es mehr Parallelen, als man denkt. Der Lynchmob spielt in vielen Horrorfilmen eine große
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