Tim Burton: Der melancholische Magier. Mit einem Vorwort von Johnny Depp (German Edition)
mithilfe einer optischen Illusion so aussehen lassen, als würde sie gleiten. Dazu haben wir extra einen Bewegungskünstler engagiert – Dan Kamin, der bei Chaplin mitgewirkt hat. Von ihm habe ich einiges gelernt.
Ein weiteres interessantes Detail: Der Chihuahua, auf den der Kopf von Sarah Jessica Parker verpflanzt wird, gehörte eigentlich Burton und Lisa Marie. Letztere hatte den Hund in Japan an einer Straßenecke aufgelesen.
Wir fuhren mit dem Auto durch Tokio und unterhielten uns mit zwei anderen Leuten. Und in einem etwas schäbigen Nachtklubviertel, das mit seinen vielen Lichtern und Menschen an Las Vegas erinnerte, rief Lisa plötzlich: »Halt mal an!« Ich weiß nicht, wie sie die Hündin entdeckt hat. Sie steckte gut fünfzig Meter weiter die Straße runter in einem kleinen Käfig. Wir haben sie Poppy getauft. In MARS ATTACKS! hat sie einen wirklich tollen Auftritt hingelegt.
1998 führte Burton zum ersten Mal bei einem Werbespot fürs Fernsehen Regie. Auftraggeber war eine französische Kaugummimarke namens Hollywood Gum. In dem zweiunddreißig Sekunden langen Film flüchtet ein Gartenzwerg aus einem Garten, lässt sich von einem Müllauto mitnehmen und badet schließlich auf einer märchenhaften Waldlichtung in einem Teich, zusammen mit einer jungen Frau, die aussieht wie Lisa Marie (es aber nicht ist).
Es war eine interessante Erfahrung, aber ich reiße mich nicht darum, weitere Werbefilme zu machen. Damals hatte ich gerade ein bisschen Leerlauf, und die Firma hat mir für einen relativ einfachen Job eine Menge Geld angeboten. Deshalb dachte ich, ich probier’s einfach mal aus. Das Problem ist nur, dass ich an jeden Auftrag so herangehe, als sei es mein eigener Film. Ich habe schon oft den Rat gehört: »Wenn du einen Werbespot machst, dann bring’s hinter dich, steck das Geld ein und Schwamm drüber.« Aber so kann ich nicht arbeiten. Klienten sind beinahe so schlimm wie Studios. Nach einer Weile hatte ich die Nase gestrichen voll.
K evin Yagher, ein ehemaliger Maskenbildner, der bei der HBO -Serie Geschichten aus der Gruft Regie führte, hatte 1994 die Idee, Washington Irvings Kurzgeschichte »Die Legende von Sleepy Hollow« zu verfilmen. Über seinen Agenten wurde Yagher mit Andrew Kevin Walker bekannt gemacht, einem jungen Autor, dessen Drehbuch zu einem Film namens Sieben noch darauf wartete, verfilmt zu werden, obwohl es in Hollywood-Kreisen bereits für Furore gesorgt hatte. Yagher und Walker taten sich zusammen und arbeiteten einige Monate lang an einem Treatment, das sie danach breit anboten. Sie schlossen einen Vertrag mit Produzent Scott Rudin ab, der das Projekt an Paramount verkaufte. Ursprünglich sollte Yagher Regie führen und Walker das Drehbuch schreiben. Doch aus verschiedenen Gründen blieb das Projekt – wie so viele in Hollywood – in der Entwicklungsphase stecken. Bis Burton im Sommer 1998 von Rudin und dessen Partner Adam Schroeder das Drehbuch zugespielt bekam.
Nach Superman hing ich ziemlich in der Luft. Bis ich dieses Drehbuch zugeschickt bekam, das mich sehr beeindruckt hat. Einen Horrorfilm hatte ich noch nie gedreht, dabei bin ich eigentlich ein Horrorfan. Das Drehbuch enthielt ein paar Bilder, die mir gefallen haben – die Windmühle, der Totenbaum –, auch wenn ich für Pferde eigentlich nicht so viel übrighabe. Außerdem ist es eine faszinierende Geschichte – die jeder kennt, aber kaum jemand tatsächlich gelesen hat. Es geht darin im Wesentlichen um einen jungen Mann, der seinen Magen füllen will. Die Geschichte ist relativ kurz und in der Erinnerung eigentlich besser als in Wirklichkeit. Es ist eine der wenigen frühen amerikanischen Horrorgeschichten – auch wenn sie auf älteren Mythen und Legenden fußt. Washington Irving soll ein deutsches Volksmärchen abgekupfert haben, und die Geschichte hat tatsächlich etwas Deutsches an sich. Sie ist völlig zu Recht berühmt, nicht nur weil sie der seltene Fall einer frühen amerikanischen Gruselstory ist, sondern weil sie starke Symbole enthält, wie man sie nur in guten Märchen und Horrorgeschichten findet.
»Die Legende von Sleepy Hollow« erschien ursprünglich in Washington Irvings Skizzenbuch (1819–20) und berichtet von den Abenteuern des schlaksigen, abergläubischen Landschulmeisters Ichabod Crane, der die Zuneigung von Katrina Van Tassel gewinnen will, auf die es auch sein Rivale Brom Bones abgesehen hat. Eines Nachts begegnet Crane dem Geist eines Reiters, der seinen Kopf nach ihm wirft. Am
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