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Timbuktu

Timbuktu

Titel: Timbuktu
Autoren: Paul Auster
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mit Fehlern behaftetes Geschöpf, Mr. Bones, ein Mann voller Widersprüche und Ungereimtheiten, in zu viele Richtungen zugleich gezogen. Einerseits grundgütig und reinen Herzens, der getreue Helfer des Weihnachtsmanns. Andererseits ein großmäuliger Miesepeter, ein Nihilist, ein besoffener Clown. Und der Dichter? Der ist irgendwo dazwischengerutscht, nehm ich an, in die Lücke zwischen meiner besten und meiner schlimmsten Seite. Er ist weder der Heilige noch der klugscheißerische Säufer, sondern der Mann mit den Stimmen im Kopf, der, dem es manchmal gelang, dem Gespräch von Steinen und Bäumen zu lauschen, und der ab und zu die Musik der Wolken in Worte verwandeln konnte. Ein Jammer, daß ich nicht öfter er sein konnte. Aber in Jamaika, wo sie den Jammer herstellen, bin ich leider nie gewesen, und wenn du dir die Fahrkarte nicht leisten kannst, mußt du eben daheim bleiben.
    Du hast mich nie zu meinen besten Zeiten erlebt, Sir Osso, und das tut mir leid. Tut mir leid, daß du mich erst kennengelernt hast, als ich schon auf dem absteigenden Ast war. Damals, bevor mir der Sprit ausging und ich mir diese... diese Motorprobleme angelacht habe, das war noch was ganz anderes. Ich wollte nie Penner werden. So hatte ich mir das nie gedacht, so hab ich mir die Zukunft nicht erträumt. In Papierkörben nach Pfandflaschen zu wühlen stand nicht auf dem Plan. Wasser auf Windschutzscheiben zu spritzen auch nicht. Und vor Kirchen auf die Knie zu fallen und die Augen zu schließen, damit ich wie ein frühkirchlicher Märtyrer aussah und die Passanten Mitleid mit mir bekamen und mir ’nen Dime oder Quarter gaben - nein, Signor Puccini, nein, nein und nochmals nein, dafür bin ich nicht geboren. Aber ein Mann lebt nun mal nicht vom Wort allein. Er braucht Brot, und zwar nicht nur einen Laib, sondern zwei. Einen für die Tasche und einen für den Mund. Brot, um Brot zu kaufen, falls du mir folgen kannst, und wenn du das eine nicht hast, kriegst du todsicher nicht das andere.
    Es war schon ’n ziemlicher Schlag, als Momsan uns verlassen hat. Daran gibt’s nichts zu deuteln, Hundilein, und ich kann auch nicht leugnen, daß ich alles nur noch schlimmer gemacht hab, indem ich das ganze Geld durchbrachte. Ich sagte, keine Entschuldigungen, aber das nehm ich jetzt zurück und entschuldige mich bei dir. Es war dumm und unüberlegt von mir, und wir beide haben dafür bezahlt. Zehntausend Dollar sind ja schließlich kein Pappenstiel. Ich hab sie mir durch die Finger gleiten lassen, hab zugeschaut, wie sie im Wind davonflatterten, und weißt du, das Witzige daran ist, es war mir scheißegal. Ich hatte meinen Spaß dran, den Zampano zu spielen, mit meinem großen Fischzug anzugeben wie Graf Rotz von der Backe. Von wegen Altruist. Ich bin Mr. Al Truist, der einzig wahre Alberto Verissimo, der Mann, der die Lebensversicherung seiner Mutter nahm und jeden Penny davon verschleuderte. Hundert Dollar für Benny Shapiro. Achthundert für Daisy Brackett. Viertausend für den Frischluftfonds. Zweitausend für das Asyl in der Henry Street. Fünfzehnhundert für das Förderprogramm     Tut mir natürlich leid, daß du es auszubaden hattest. Tut mir leid, daß wir auf die Nase gefallen sind. Tut mir leid, daß wir unser Winterquartier verloren haben und uns auf ungewohnte Weise durchschlagen mußten. Das hat ganz schön an uns gezehrt, stimmt’s? Das schlechte
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