Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Timbuktu

Timbuktu

Titel: Timbuktu
Autoren: Paul Auster
Vom Netzwerk:
die Geheimformel nach vierzig und ’n paar zerquetschten Jahren Stochern im dunkeln. Und ständig kommt mir dieser Krempel in die Quere. Noch bei meinem letzten Atemzug werd ich mich dran verschlucken. Unnütze Wissensbrocken, ungewollte Erinnerungen, Pustekuchen. Alles nur Schall und Rauch, mein Junge, heiße Luft. Leben und Sterben des R. Mutt, Eleanor Rigby, Rumpelstilzchen. Wer zum Henker will was über die wissen? Die Pep Boys, die Ritz Brothers, Rory Calhoun. Captain Video und die Four Tops, Die Andrew Sisters, Life und Look, die Bobbsey Twins. Und das geht endlos so weiter. Henry James und Jesse James, Frank James und William James. James Joyce. Joyce Cary, Cary Grant. Grantige Eltern, Cocktailrührer und Zahnseide, Dentin-Kaugummi und in Honig getunkte Doughnuts. Weg mit Dana Andrews und Dixie Dugan und her mit Dämon Runyon und dem Dämon Rum. Vergiß Pall Malls und Shopping Malls, Milton Berle und Burl Ives, Ivory-Seife und Aunt Jemima’s Pfannkuchenmix. Ich brauch den ganzen Klumpatsch nicht, oder? Jedenfalls nicht da, wo ich hingehe, und doch sind sie alle da und latschen mir durchs Hirn wie langvergessene Verwandte. Soviel zum amerikanischen Know-how. Ununterbrochen wird man damit bestürmt, und ununterbrochen schiebt neuer Schrott den alten raus. Man sollte meinen, wir hätten das langsam spitzgekriegt und rausgefunden, was für ein Spielchen sie da mit uns spielen, aber die Leute kriegen einfach nicht genug davon. Sie jubeln, wedeln mit Fähnchen, bestellen Marschkapellen. Ja, ja, außerordentliche Dinge, wundersame Dinge, Maschinen, die man sich nicht hätte träumen lassen, aber laßt uns nicht vergessen, nein, laßt uns nicht vergessen, daß wir nicht allein auf der Welt sind. Knowhow kennt keine Grenzen, und wenn du an all die Schätze denkst, die übers Meer angeschwemmt werden, dann wirst du so klein mit Hut, das rückt alles wieder ins rechte Licht. Und damit meine ich nicht nur so offensichtliche Dinge wie Sardinen aus Sardinien und Chili aus Chile. Ich meine auch Geranien aus Spanien. Ich meine Vipern aus Zypern und Geiz aus der Schweiz und Kapern aus Japan und Bongos aus dem Kongo. Patriotismus gut und schön, aber letzten Endes ist das doch nur sentimentaler Schmus, den man besser für sich behält. Ja, ja, wir Yankees haben der Welt Reißverschluß und Reißzwecke, »Roll over Beethoven«, und »Rudy the rednosed reindeer« gebracht, aber wir sind auch verantwortlich für die H-Bombe und den Hula-Hoop-Reifen. Am Ende gleicht sich doch alles aus, findest du nicht? Gerade wenn du glaubst, du bist der tollste Hecht, stellst du fest, daß du nur auf den Hund gekommen bist. Und damit mein ich nicht dich, Mr. Bones. Hund als Metapher, wenn du verstehst, Hund als Symbol des mit Füßen Getretenen, und du bist nun wirklich kein bildlicher Ausdruck, du bist so wirklich wie nur was.
    Aber versteh mich nicht falsch. Es gibt einfach viel zu viele Dinge, als daß man nicht in Versuchung geraten könnte. Durch den Sog der Sache, meine ich, die Versuchung durch das Ding an sich. Man müßte ja blind sein, um dem nicht ab und zu mal nachzugeben. Dabei ist es völlig egal, worum es sich handelt. Nenn mir irgendein Beispiel, und ich wette, man kann immer was Positives dran finden. Die Faszination von Fahrradrädern zum Beispiel. Ihre Leichtigkeit, ihre spinnenhafte Eleganz, die glitzernden Felgen und hauchdünnen Speichen. Oder der Klang eines Gullydeckels, der um drei Uhr früh unter den Reifen eines Lasters klappert. Von Lurex gar nicht zu reden, das mehr zur Landschaftsverschönerung beigetragen hat als alles andere seit der Erfindung des unterirdischen Telefonkabels. Ich meine damit den Anblick von Lurexhosen auf dem Hintern eines jungen Täubchens, das dir auf der Straße begegnet. Muß ich das noch vertiefen? Wenn dir so was nicht das Herz erwärmt, bist du schon tot. So ein Hintern tanzt und schwingt jählings auf dich zu und geht dir dann im Kopf rum, bis sich dein Hirn in Butterschmalz verwandelt. Vasco da Gama in seinen Pluderhosen. Roosevelts Zigarettenspitze. Voltaires gepuderte Perücke. Kunigunde! Kunigunde! Stell dir vor, was passiert, wenn du so was aussprichst. Stell dir vor, was du sagst, wenn du es denkst. Kartographie. Pornographie, Stenographie. Stentorstimmengestammel, episkopalische Flittchen, Fruchtschnitten und Frosties. Ich muß zugeben, ich bin dem Charme dieser Dinge genauso schnell erlegen wie jeder andere, bin keinen Deut besser als der Abschaum, mit dem ich mich ach so viele
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher