Time Travel Inc. - Rewind (Die Zeitreise Chroniken) (German Edition)
selbst sagen.
»Nun ja, um ehrlich zu sein, erkannte ich meinen Sohn nicht auf Anhieb und wähnte ihn daher als ertrunken. Doch es stellte sich heraus, dass einer der Passagiere ihm einen Damenhut aufgesetzt hatte, damit er mit in das Boot steigen durfte.«
»Ooooh, wie geistesgegenwärtig«, bemerkte Mrs. Fairchild kopfnickend.
»Sie müssen doch sicher wahnsinnig erleichtert gewesen sein, Ihre Familie in Sicherheit zu wissen«, fragte ich neugierig. »Nun ja, sicher«, erwiderte er zögerlich. »Jedoch ließen meine Frau und ich uns im Juni 1914 scheiden, die Freude hielt also nicht lang an.« Betretenes Schweigen folgte auf diese Offenbarung. Doch dann begann er zu lachen und wir schlossen uns ihm an. Es wurde ein sehr unterhaltsames und fröhliches Mittagessen, das sich über den Nachmittag hin zu einem Kaffeeklatsch und anschließend zu einem gemeinsamen Abendessen verwandelte.
Die nächsten zwei Tage vergingen rasch und wir erreichten New York bei strahlendem Sonnenschein. Mr. Carter hatte ich noch ein oder zwei Mal an Deck getroffen, mich aber nie lange mit ihm unterhalten. Zwar war er, wie sich ja nun herausgestellt hatte, ein sehr umgänglicher Mann, doch wollte ich keine weitere Nähe zulassen, aus Angst um mein aufwendig zusammengeflicktes Lügengerüst.
Nachdem ich mein Gepäck heil von Bord bekommen hatte und mich weitestgehend orientiert hatte, entschloss ich mich, mir zunächst eine sichere Bleibe zu suchen und erst dann die Frage des Diamantenverkaufs anzugehen.
Ich sah mich um und war sogleich fasziniert vom wilden Getümmel am Hafen. Auf dem Kai saßen Matrosen auf riesigen Jutesäcken und rauchten, spielten Karten oder tranken einfach nur zusammen. Anderswo wurden schwere Eichenfässer durch die Gegend gerollt und zum Beladen der Schiffe an überdimensionalen Eisenketten befestigt. Überhaupt schien hier alles eine Nummer größer geraten zu sein. Zu meinen Füßen fanden sich enorm große Taue. Eines davon war sicher so dick wie mein Oberarm. Seemann war, in diesen Zeiten, sicher ein überaus anstrengender Beruf.
Ich nahm mir eine Kutsche und ließ mich in Richtung 5th Avenue fahren. In nicht einmal zehn Jahren würde dort das Empire State Building entstehen. Doch jetzt stand hier das von William Waldorf Astor erbaute, 13-stöckige Waldorf-Astoria-Hotel, welches mir einen bequemen Unterschlupf bieten würde. Warum nicht etwas klotzen? Kleckern würde ich im Verlauf meiner Reise noch genug müssen. Ehrfurcht erfüllte mich bei dem Gedanken daran, wie unfassbar groß dieses Land war. In der Zukunft würde man problemlos jede Strecke quer über den Kontinent mit einem Flugzeug zurücklegen können. Hier sah es anders aus. Ich war schon froh über meine Kutsche, die ich ohne Taxi-App auf meinem Smartphone ergattert hatte.
Die Gebäude, an denen wir vorüberfuhren, waren wirklich beeindruckend. Genau so hatte ich mir New York vorgestellt. Wie auf diesen pastellfarbenen, nachkolorierten Postkarten, die man auf Trödelmärkten kaufen konnte. Und erst das Waldorf Astoria, es war einfach umwerfend. Im Inneren des Hotels herrschten Prunk und Glamour. Überall Kronleuchter, teure Teppiche, schick gekleidete Damen und Herren. Fasziniert beobachtete ich eine junge Frau, die genüsslich an einer langen Zigarettenspitze sog. Ich checkte ein und ein freundlicher junger Mann kümmerte sich sogleich um mein Gepäck. Ich bekam ein Zimmer im 8. Stockwerk. Von hier aus konnte ich die Straße und den Haupteingang überblicken.
Das 13-stöckige Waldorf-Hotel wurde meines Wissens 1893 eröffnet. William Waldorf Astor baute es an die Stelle, an der vorher sein Vaterhaus gestanden hatte und wo sich heute, beziehungsweise im Jahr 2015, das Empire State Building befand. Das ganze Hotel wurde auf einer Stahlkonstruktion über den Bahnanlagen errichtet. Zusammen mit dem direkt daneben liegenden Astoria bildete es das wohl beeindruckendste und größte Hotel dieser Zeit.
Nachdem ich dem Jungen etwas Trinkgeld zugesteckt hatte, blieb ich noch eine Weile am Fenster stehen und beobachtete das wilde Treiben unter mir. Ich war ganz ruhig. Jetzt ging es doch erst richtig los. Wieso war ich nicht nervös? Merkwürdig. Ich schob es auf die anstrengende Reise und begann damit, das Nötigste auszupacken. Allzu häuslich sollte ich mich nicht einrichten, da ein spontaner Aufbruch jeder Zeit infrage kommen könnte.
Am Abend ließ ich mir Essen auf’s Zimmer schicken, um mich nicht für das Restaurant fein machen zu
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