Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
voller Lachen und Freude … einen Garten, den sie nur ein einziges Mal gemeinsam betreten hatten. Er biß die Zähne zusammen. Bei den Göttern, das war wahrhaftig keine Hilfe. Unter seinem blau-weiß-gestreiften Kopftuch machte sich Kopfweh breit. In seinem Magen blubberte die Säure wie Rekkit-Suppe. Diese Höllennacht hatte noch nicht einmal begonnen; Kopfschmerzen waren da kein gutes Omen. Noch einmal richtete er seine Gedanken auf die silberne Statue am anderen Ende des Raumes.
Das ergab alles keinen Sinn. RaEm trieb ihn noch zum Wahnsinn! Nie konnte er voraussehen, wie sie sich verhalten würde. Einerseits war sie draufgängerisch, derb und für jeden Mann zu haben, was sie in Cheftus Augen nicht eben auszeichnete. Aber andererseits …? RaEm drehte sich zu ihm um, sah ihn ausdruckslos an, und Cheftu sah sie zum erstem Mal an, wirklich an.
Jahre waren vergangen, seitdem er RaEm gesehen hatte, seitdem … nun, einfach seitdem. Viele Überschwemmungen, Reisen und neuer Erfahrungen. In jener Zeit war er gereift und erwachsen geworden, er war nicht länger der unsichere, schlaksige Junge von damals. Bestimmt hatte RaEm sich in all den Jahren ebenfalls verändert? Und inwieweit war diese Veränderung mit Reife gleichzusetzen? Er hätte beim heiligen Bullen Apis schwören können, daß sich ihr Gesicht verändert hatte – es war nicht nur fülliger geworden, nein, die Knochenstruktur selbst war anders. Zu schade, daß die alten Ägypter keine Porträts anfertigen ließen, dachte Cheftu. Hapuseneb hatte ihm erklärt, daß sie anders aussähe, doch damals war Cheftu zu beschäftigt mit Alemeleks Enthüllungen und seinem Tod gewesen und hatte Hapusenebs Worten keine Beachtung geschenkt.
Das Licht legte sich auf ihre Gesichtszüge, ihre lange, gerade Nase, ihre leicht schrägen Wangenknochen, die winzige Furche in ihrem Kinn. Cheftu blinzelte und versuchte, den Nebel der Zeit und seiner Voreingenommenheit zu durchdringen. Ihre Lippen waren voller, ihre Stirn weniger breit, ihre Züge nicht mehr so flach. Er kam sich vor, als versuche er, durch einen Schleier hindurch ein Gesicht zu erkennen.
RaEm schien sich wieder gefaßt zu haben, und Cheftu schreckte auf, als er merkte, daß die Standarten-Träger an die Tür hämmerten. RaEm kam auf ihn zu, und Cheftu begriff, daß sie größer war als früher. Sie war früher schon größer gewesen als die meisten Frauen – sogar als die meisten Männer. Früher hatte sie Cheftu bis ans Kinn gereicht, doch nun standen sie einander beinahe Auge in Auge gegenüber. Viel größer. Wieviel davon war der Reifung eines unerfahrenen, unschuldigen Backfisches zu der abgebrühten Frau vor ihm zuzuschreiben?
Plötzlich wurde er aufgeregt und gestattete sich einen leisen Zweifel. War es möglich? Konnte sich seine sehnliche Hoffnung, nicht der einzige zu sein, nicht allein zu sein, erfüllt haben? Hastig ging er in Gedanken sein jüngstes Zusammentreffen mit ihr durch. Die Möglichkeit erschien ihm immer plausibler. Dadurch ließe sich so vieles erklären: angefangen von der veränderten Augenfarbe bis zu ihrer offenkundigen Unkenntnis über ihre frühere Verlobung, ihr Tanz mit Basha, als sie ihre Stimme zurückgefunden hatte, die physische Lockerheit, die ihr zuvor vollkommen abgegangen war, ganz zu schweigen von ihren neu entdeckten Talenten. Wie konnte er sichergehen? Es war die einzige logische – oder unlogische, je nach Perspektive – Erklärung.
Sie war nicht RaEmhetepet.
Du bist ein Phantast, ermahnte er sich. Du hast dich nie ganz von ihr lösen können, und jetzt gaukelst du dir etwas vor, indem du die unmöglichsten Theorien durchspielst. Es ist nicht vollkommen ausgeschlossen, widersprach etwas in ihm. Er versuchte, sich ins Gedächtnis zu rufen, wo man sie gefunden hatte, bevor sie seine Patientin wurde. War das in Hathors Silberkammer gewesen? War das möglich? Was hatte Hapuseneb gesagt?
Sie gingen durch die Korridore und stiegen schließlich in den neuen, für drei Personen ausgelegten Streitwagen des Prinzen. Cheftu warf einen verstohlenen Seitenblick auf die neben ihm stehende Frau. Jetzt, als er sie ansah, fragte er sich, wie er je hatte glauben können, daß sie RaEm war. Ich habe gedacht, daß sie RaEm ist, weil ich nichts anderes erwartet habe. Genau wie jeder andere. Wir sehen nur, was wir zu sehen erwarten, und sie hat das Spiel mitgespielt und alles Nötige unternommen, um uns in unserem Glauben zu lassen.
Gehörten ihre hungrigen Küsse mit zu diesem
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