Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
etwas, mit dem sie den nächsten Stunden entfliehen konnte.
Die ägyptische Seite ihres Geistes wußte sehr wohl, welche Gunst ihr da zuteil wurde. Sobald Thutmosis sie geschwängert hatte, würde sie ihr Leben gestalten können, wie es ihr gefiel – indem sie eigene Gemächer verlangte oder die Tage in relativem Luxus mit Zeichnen verbrachte. Sie konnte sogar eine Sklavin einstellen, die sich um das Kind kümmern würde, sobald es da war. Falls sie schwanger werden konnte. Sie ballte die Fäuste. Ausgerechnet mit Thutmosis intim werden zu müssen … O Gott, bitte, laß es doch bitte jemand anderen sein!
Zischelnd flüsterte ihr RaEms Geist ein, diesen leichtesten aller Wege einzuschlagen, wisperte ihr zu, es würde schon nicht so schlimm werden. Sobald sie erst ihm gehörte, würde der Prinz sie anders behandeln.
Doch ihr moderner Geist sträubte sich mit aller Kraft gegen die Vorstellung, einem Mann zu gehören, gleichgültig von welchem Rang, ohne daß sie dabei mitzureden hatte.
Sie hatte nie heiraten wollen, aber andererseits war sie nicht sicher, ob sie je wirklich verliebt gewesen war. Ihr ganzes Leben hatte man ihr erzählt, daß sie eines Tages Mr. Right treffen und umgehend eine dauerhafte Beziehung würde haben wollen. Oder wäre es der edle Herr Right? Diesem Gedanken versetzte Chloe unverzüglich einen herzhaften Tritt. Cheftu hatte nicht den geringsten Zweifel daran gelassen, daß sie Thutmosis heiraten sollte.
Sie durchquerte das Zimmer und nahm die immer noch sonnenwarme Phiole.
Ich gehöre nicht hierher. Wenn ich hier eingreife, könnte das für alle Zeiten die Geschichte verändern, dachte sie. Zwar glaubte Chloe nicht, daß sie persönlich so wichtig war, doch war in jedem Buch und jedem Film über Zeitreisen, an das oder den sie sich erinnern konnte, großer Wert darauf gelegt worden, daß nicht in die Geschichte eingegriffen wurde. Wenn jeder Mensch wie ein Stein war, der in einen Teich geschleudert wurde … die Wellen konnten ein Boot zum Schaukeln bringen, wenn es nur weit genug entfernt war. Was für Wellen könnte ich durch meine Anwesenheit hervorrufen? Ich kann so nicht weitermachen – egal was es kostet. Sobald ich eine Möglichkeit zum Verschwinden entdecke, muß ich sie ergreifen.
10. KAPITEL
Bis Sonnenuntergang hatte Chloe sich angekleidet. Eine neue Dienerin war gekommen; Chloe hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, sie nach ihrem Namen zu fragen. Sie starrte ihr ägyptisches Spiegelbild an; sie stand im Begriff, Horus-imNest zu heiraten, den zukünftigen mächtigen Stier der Ma’at. Dann war die Sklavin wieder verschwunden und hatte Chloe ein paar Minuten allein gelassen, bevor der Streitwagen eintraf, der sie wegbringen sollte.
Sie sollten in einem kleinen Tempel am Ufer des Nils verheiratet werden. Abgesehen von dem heutigen Abend gab es nichts, was man als Flitterwochen bezeichnen konnte. Thutmosis wollte auf keinen Fall wegfahren, solange die Situation mit den Israeliten so verfahren war. Bis auf die Nächte würde sie die ganze Zeit im Harem bleiben.
Sie trank von der Phiole, die Meneptah ihr gebracht hatte, und spürte, wie das Mittel durch ihre Adern lief.
Cheftu hatte vorgeschlagen, nur die Hälfte zu nehmen, doch sie hatte die Phiole auf einmal geleert. Hoffentlich hatte das keine tragischen Folgen. Jetzt war es wesentlich einfacher, einen Schritt zur Seite zu treten und sich selbst zu beobachten; sie fühlte sich beinahe ätherisch. Mit geschlossenen Augen atmete sie den Duft der Blumen vor ihrer Tür ein. Das silberweiße Bild im Spiegel schlug erneut die Augen auf. Chloe lächelte, und die Priesterin RaEmhetepet lächelte zurück.
Jemand klopfte an ihre Tür, und Chloe drehte sich um. Als Cheftu eintrat, spürte sie den vertrauten Blitz durch ihren Körper schießen. Er war in Weiß und Blau gekleidet, und der lange Amtsumhang fiel von seinen Schultern bis auf die lederbeschuhten Füße. Sein Blick glühte hinter lapis-bemalten Lidern hervor, und in den Lapis-Steinen an seinen Ohren brach sich das Licht der Fackeln.
Er blieb dicht vor ihr stehen, so dicht, daß sie seinen warmen Atem auf ihrem Gesicht spüren konnte. Geschwächt hob RaEm ihren Blick und sah seine distanzierte Miene. »Der hohe, mächtige Edelmann Cheftu«, verkündete sie gedehnt. »Hat deine Mutter dir nie erzählt, daß man Falten kriegt, wenn man dauernd die Stirn runzelt?« Sie sah, wie sich die kantigen Kiefermuskeln unter der hinuntergeschluckten Antwort anspannten.
RaEm hob
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