Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
steif.
»Das ist sie ganz und gar nicht! Du hast erzählt, du hast einen älteren Bruder, richtig? Was macht er, oder was hat er gemacht?«
Cheftu stand auf. »Ich glaube, ich gehe heute nacht mit Thief jagen.«
»Schleich dich nicht einfach davon! Ich habe dich nicht nach deiner ehemaligen Geliebten gefragt, nur nach deiner Familie! Was ist denn los mit dir?«
Er packte sie an den Unterarmen. »Sie ist unwichtig. Frag nicht. Man hat mich betrogen, und ich habe keine Lust, mich daran zu erinnern.«
»Betrogen? Wer?«
»Mein Bruder. Gute Nacht.«
Mit offenem Mund starrte Chloe ihm nach, während er und Thief den Weg hinaufstiegen und hinter der Klippe verschwanden. Würde sie diesen Mann je wirklich kennen?
»Soviel zu ›ohne Geheimnisse, ohne Beschränkung‹«, flüsterte sie lakonisch.
Ohne Vorwarnung wurden sie aus ihrem eben erblühenden Leben gerissen.
Der Tag unterschied sich in nichts von den vorangegangenen. Cheftu bestellte mit einer provisorischen Hacke aus Muscheln und Ästen ein zukünftiges Feld, und Chloe hatte eben einen Fisch zum Mittagessen gefangen und ihn ausgenommen, um ihn dann auf ihren Felsengrill zu legen. Plötzlich legte Thief, der sich zuvor ganz auf den Fisch konzentriert hatte, die Ohren an und bewegte sich, teils schleichend, teils rennend, auf die Klippe zu. Über dem Rauschen der Brandung konnte Chloe Kampflärm vernehmen. Wertvolle Sekunden vergingen, bevor sie eine Entscheidung gefaßt hatte und die Klippe hinaufkletterte. Oben schielte sie vorsichtig über die Kante und sah Cheftu zwischen zwei Soldaten stehen. Sie unterhielten sich, doch sie konnte kein Wort verstehen. Der Duft gebratenen Fisches wehte in ihre Richtung, darum rannte sie wieder nach unten und raste in die Höhle, um Bogen und Köcher zu holen. Sie durchkramte hastig den Korb und geriet fast in Panik, als sie Thief knurren hörte und sah, wie sich sein hellbraunes Fell sträubte.
Dann hörte sie Cheftu auf englisch schreien: »Versteck dich! Sie wissen nicht, daß du hier bist!« Er maskierte seine Worte unter anderen Schreien und Flüchen, und Chloe kauerte sich in das hinterste Ende der Höhle. Die Soldaten mochten noch nicht wissen, daß sie hier war, doch sie brauchten keine Tempelschule besucht zu haben, um zu erkennen, daß ein kochendes Essen und ein arbeitender Mann nicht zusammenpaßten. Bedächtig spannte sie den Pfeil auf die Sehne. Drei Männer waren zu sehen, allerdings konnten sich außerhalb ihres Blickfelds noch mehr verbergen. Die Soldaten hatten Cheftu ins Haus geschubst und hockten nun um das Feuer hinter dem Haus. Sie streckte den Kopf aus der Höhle; ein Mann hatte ihr den Rükken zugedreht und urinierte ins Meer. Chloe schickte den Pfeil von der Sehne und lief zum Haus, als sie den Mann auf die Knie fallen sah, während sein Todesschrei im Dröhnen der Wellen unterging und seine Hände hektisch den Rücken abtasteten.
Die Dunkelheit in der Hütte war angenehm, doch Cheftu durfte keinen Laut hören lassen. »Geliebter?« flüsterte sie auf englisch. Er stöhnte zur Antwort, und sie lief zu ihm, wobei sie um ein Haar über die fast fertige Hängematte gestolpert wäre. Er war gefesselt, konnte sich aber einigermaßen auf den Beinen halten. Chloe schnappte ihren Gürtel, den Umhang und den Bauchbeutel, dann durchtrennte sie die Flachsseile. Sie hörten, wie sich die drei Soldaten fragten, wo ihr Kamerad so lang blieb.
Mit angehaltenem Atem lauschten sie den Witzen der Soldaten über ihren Proviant aus ungesäuertem Brot und Trockenfleisch. »Ein Schluck Dattelwein würde ihm bestimmt helfen«, meinte einer, und die anderen lachten. Chloe kroch zur Tür und versuchte, einen Fluchtplan zu fassen. Thief war verschwunden, der unbekannte Geruch der Soldaten hatte seine Angst vor Raubtieren geweckt. Chloe suchte mit den Augen ihre kleine Bucht ab … wohin könnten sie nur fliehen? Es war egal – sie packte Cheftus Weidenkorb mit Deckel und warf ihr Essen und ihre Besitztümer hinein.
Sie fing im Dunkel Cheftus Blick auf, und sie gaben sich einen kurzen Kuß. Dann liefen sie quer über den Strand, an dem Sterbenden vorbei, der in einer Pfütze trocknenden Blutes lag, und um den Felsvorsprung herum zurück in Richtung Ägypten. Sobald sie die andere Seite der Klippe erreicht hatten, lauschten sie und versuchten, über dem Rauschen der Wellen etwas zu hören. Die Brise kühlte Chloes Angstschweiß, sie rückte den Weidenkorb zurecht. Cheftu sah nach oben und gab ihr einen Wink. Beide
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