Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
das Herz. Er wußte, wenn sie allein gewesen wäre, hätte sie gekämpft, genau wie er, doch gemeinsam waren sie zu verletzlich. Er spannte seinen Armmuskel an, den er so gern gestreckt hätte, als er etwas in seinem Rücken spürte. Er warf einen Blick über die Schulter und schluckte ängstlich, als er in zwei goldene Augen blickte. Dann verhinderte er hastig einen Freudenschrei, denn er kannte das tiefe Schnurren aus der Raubtierkehle nur zu gut.
Thief schmiegte seinen Kopf an Cheftus Schulter. Er war zwar noch jung, doch er wuchs mit jedem Tag. »Va t’en«, flüsterte Cheftu aus Angst, das dröhnende Schnurren könnte die Soldaten wecken. Thief ließ seinen Kopf auf Cheftus Schenkel sinken und breitete die großen Pfoten aus, die er wie ein überentwickeltes Kätzchen leckte. »Geh weg«, wiederholte Cheftu und drückte die große Katze mit seinen gefesselten Händen beiseite.
Thief streckte sich aus und wälzte sich auf den Rücken, damit sein Adoptivvater ihm den Bauch kraulen konnte. Seufzend kam Cheftu der Aufforderung nach. »Das mach ich noch, dann mußt du verschwinden. Einverstanden, Thief?« Er blickte auf und erkannte, daß in Chloes offenen Augen Tränen standen. Gedankenverloren streichelte Cheftu Thief und versuchte zugleich, über die Entfernung hinweg mit seiner Frau zu sprechen, die in der tödlichen Umarmung eines anderen Mannes gefangen war.
Sie war wunderschön, wie aus Mondlicht geschnitzt. Neben ihren Augen verblaßte die ganze Welt, fand Cheftu. Aus ihnen loderte ein grünes Feuer, sie wirkten quicklebendig, so als wollten sie ihrer momentanen Lage trotzen. Sie vertrauten ihm, auch wenn er am Nachmittag keinen Ausweg gefunden hatte. Obwohl er sie so in Gefahr gebracht hatte. In seinen Augen brannten Tränen, für die seinem Körper die Feuchtigkeit fehlte, und er spürte, wie Thief einschlief.
Chloe schloß ebenfalls die Augen, darum rollte sich Cheftu auf die Seite, ängstlich darauf bedacht, keinen Lärm zu machen, dann legte er seinen Kopf auf den massigen Brustkorb des jungen Löwen und schlief ein.
Chloe verlor jedes Zeitgefühl. Manchmal zogen sie bei Tag weiter, manchmal bei Nacht. Jede Nacht wurde sie von einem anderen Soldaten bewacht, und nur der Wassermangel und die Erschöpfung bewahrten sie davor, vergewaltigt zu werden. Sie hatte keine weitere Gelegenheit, mit Cheftu zu sprechen, doch wenn sich ihre Blicke trafen, bevor sie ihrem nächtlichen Aufpasser zugeteilt wurde, teilten seine Augen mit einem knappen Zwinkern und einem Lächeln ihr seine Liebe mit. Einmal hatte er ihr eine Nachricht in den Sand geschrieben, Worte, die sie am nächsten Morgen vor dem Aufbruch entdeckte. »Je t’aime et j’espère.« Ich liebe dich und ich hoffe.
Beide waren bis auf die Knochen abgemagert. Cheftus Bart blieb ungekämmt, sein Haar war dreckig und fettig. Von seinen brandblasigen breiten Schultern schälte sich die Haut, und Chloe konnte die Rippen in seinem Rücken zählen. Wasser bekamen sie genug; Pharao wollte alle Überlebenden lebendig haben, er hatte nur nicht genau festgehalten, wo die Grenze zwischen lebendig und tot verlief. Zum Glück waren abends alle zu erschöpft, um ihnen noch irgendwelche Antworten entlocken zu wollen.
Chloe spürte in jeder Ritze und Spalte ihres Körpers Sand. Ihre Brüste und ihr Hintern waren fleckig von den groben Händen der Soldaten, und ihr Hemd wie auch ihr Schurz hingen ihr in Fetzen am Leib und boten kaum noch Schutz. So stolperten sie weiter. Cheftu hütete ihre mageren Besitztümer, und Chloe wußte tief im Herzen, daß sich irgendwann eine Möglichkeit zur Flucht bieten würde; sie mußten nur bereit sein.
Die Sonne brannte alles nieder. Chloe spürte, wie ihre Haut in der ausgetrockneten Luft richtiggehend brutzelte. Ihre Nase blutete, so trocken war es, und selbst die Soldaten zeigten Anzeichen von Erschöpfung, trotz ihrer heilenden Öle und der fettreichen Ernährung. Die Wasservorräte gingen allmählich zur Neige, und die Gemüter erhitzten sich zusehends. Dann brach das Rad an Cheftus Streitwagen. Man würde mindestens zwei Soldaten brauchen, um es zu reparieren, darum sollte Chloes Gruppe mitsamt den Pferden durch die tiefen Schluchten zur Oase ziehen und von dort aus einen weiteren Trupp zurückschicken – eine Reise von nicht mehr als anderthalb Tagen.
Cheftu wurde neben sie an den übriggebliebenen Streitwagen gefesselt. Inzwischen mußten die Soldaten ebenfalls zu Fuß gehen, denn die Pferde waren dem Tode nahe.
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