Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
fragte er leise wie ein summendes Insekt.
»Bei unserem Korb und meinem Bogen da drüben.« Sie deutete mit dem Kinn dorthin. Dann ließ sie den Kopf gegen das Holz sinken und schloß die Augen vor der grellen Nachmittagssonne. Dem Herrn sei Dank für die Holzkohle.
»Du darfst ihn nicht vergessen.«
»Was ist da drin?«
»Zeichnungen. Still: Sie wachen wieder auf.« Beide sackten in einer Parodie des Schlafes zusammen, doch wenige Augenblicke später hörten sie den Wachposten wieder gleichmäßig atmen.
»Wessen?« hauchte Chloe kaum hörbar.
»Die eines Freundes aus dem vierzehnten Jahrhundert. Ich habe ihn als Alemelek kennengelernt. Erst auf seinem Sterbebett habe ich erfahren, daß er ein Reisender ist.«
»Wodurch hat er sich verraten?«
»Er hat zu beten begonnen … auf lateinisch.« Cheftu zog einen Mundwinkel nach oben. »Man könnte sagen, das war ein todsicherer Hinweis.«
Das mußte Chloe erst einmal verdauen. »Was soll damit geschehen?«
»Versteck sie. Sie sind wichtige Hilfsmittel für die Menschen, die nach uns Ägypten erkunden werden.«
»Ich liebe dich, Cheftu«, murmelte sie durch die Hitze und Erschöpfung.
»Je t’aime, Chloe«, flüsterte er zurück. Er streckte einen Fuß mit Sandale zu ihr hin und strich mit dem Außenrist über ihr Bein. Chloe schloß die Augen und spürte nur noch seine schwieligen Zehen, den erstaunlich weichen Spann und die drahtigen Haare auf seinem Knöchel und seiner Wade. Sie blickte auf und sah Cheftu halb lächeln.
»Wir werden schon überleben. Ruh dich jetzt aus.«
Das Knirschen von Streitwagenrädern ließ sie wieder wach werden, und Chloe merkte, daß die Lichtfinger der Sonne inzwischen aus dem Westen kamen. Die Wachen gaben jedem von ihnen ein paar Schluck Wasser, dann wurden die Pferde vor die Streitwagen geschirrt, und Chloe mußte hinter dem einen, Cheftu hinter dem anderen herlaufen. Die Soldaten schlugen ein strammes Tempo an, und Chloe hatte das Gefühl, daß ihr die Arme aus den Gelenken gerissen wurden, bis ihre Füße sich dem Rhythmus der Pferdehufe angepaßt hatten. Eine Brise pfiff über den sandigen Boden, während Chloe Schritt zu halten versuchte. Sie waren auf dem Weg nach Westen, in das Felsengebirge des Sinai hinein.
Die Soldaten waren müde und wollten heim zu ihren Familien Chloe war klar, daß man sie und Cheftu für unbedeutende Gefangene hielt und daß in jeden Streitwagen nur zwei Menschen paßten. Als die Sonne unterging und sie Henti um Henti zurücklegten, verwandelte sich die Reise zu einem Klumpen Schmerz in ihrer Brust und ihrem Bauch, und Chloe verfluchte ihre Peiniger. Einmal drehte sie den Kopf und sah den anderen Streitwagen neben ihrem dahinfahren und Cheftu mit ausgestreckten Armen hinterhertaumeln.
Glücklicherweise mußten nach Anbruch der Nacht die Pferde vorsichtiger gehen, um in dem pockennarbigen Boden nicht auf Schlangen, Skorpione, Wadis oder Steine zu treten, und so konnte Chloe langsamer durch die kalte Nachtluft laufen, die ihr in der Brust brannte. Der abnehmende Mond warf ein kränklich wirkendes Licht über die nächtliche Wüste, in dem Steine und Spalten nur schwer zu erkennen waren. Aus den Hügeln in der Nähe hörte Chloe das blutgefrierende Jaulen der Schakale. Die Soldaten hörten es ebenfalls und beschlossen, ein Nachtlager aufzuschlagen. Der andere Streitwagen rückte auf, und Chloe konnte erkennen, daß Cheftu genauso erschöpft war wie sie.
Es gab eine kleine Auseinandersetzung darüber, wie die Wachen eingeteilt werden sollten. Der Anführer entschied, daß Cheftu keinen Fluchtversuch unternehmen würde, solange sie Chloe gefangenhielten. Also kam sie in die übereifrige Umarmung eines jungen Soldaten, der ihr eine Hand auf die Brust legte und mit der anderen ein Messer gegen ihre Kehle drückte. Er war bestimmt nicht älter als siebzehn, aber im zwanzigsten Jahrhundert hätte er sich gut als angehender Fullback eines Football-Teams gemacht. Cheftu wurde an die Speiche eines Streitwagens gekettet, Chloe genau gegenüber.
Mit ausdrucksloser Miene beobachtete er, wie sie den widerwärtigen Avancen des jungen Soldaten auswich, der auf diese Weise Eindruck zu schinden versuchte. Er umarmte Chloe wie eine Schlange, die Messerklinge spiegelte sich im Mondlicht, und Cheftu mußte sich zwingen, die Augen zu schließen. Es wäre bestimmt keine große Hilfe, wenn er im Morgengrauen vollkommen übermüdet zu Boden sank. Mitanzusehen, wie dieser Soldat Chloe zusetzte, zerriß ihm schier
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