Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
Menschen fielen zu Boden und riefen: »Heil, Hatschepsut, Makepre!«
Danach waren sie umgeben von sattgrünen, doch menschenleeren Ufern. Das gesamte Land wurde bebaut, doch wie Chloe von der »anderen« wußte, gehörte das meiste davon Hatschepsut, ewig möge sie leben!, oder den Priestern Amuns. Die Nacht senkte sich schnell und zog ihre mit silbernen Sternen bestickte Decke über den Himmel. Sie legten am Ufer an, denn kein Ägypter segelte bei Nacht. Chloe zog die Stoffabdeckung ihrer Kabine zur Seite und starrte ins Herz des Universums, bis sich, ganz langsam, ihre Lider schlossen.
5. KAPITEL
Die Tage vergingen wie im Flug. Cheftu mied ihre Nähe, und sie vertrieb sich die Zeit damit, zuzuschauen, wie der Nil träge an ihr vorbeizog. Gelegentlich sah sie kleine Gruppen von Kindern am Ufer stehen, die dem Boot zuwinkten und zuriefen, sobald sie die stolze königliche Standarte bemerkten. Ägypten liebte seinen Pharao. Chloe hatte etwas von dem Papyrus abgezweigt, das sie sich für Unterhaltungen mit anderen Menschen zurechtgeschnitten hatte, und begann zu zeichnen. Die von den Ägyptern verwendete Tinte war zu schmierig, deshalb war sie eines Nachts über die schlafenden Leiber vor dem Feuer gestiegen und hatte sich etwas Holzkohle geholt. Es hatte Stunden gedauert, bis sie eine anständige Spitze geschabt hatte.
Sie verbrachte die Nächte damit, bei Fackelschein die gesichtslosen Körper der Kinder, die Boote und Bäume und Blumen auf ihr Notizpapier zu zeichnen. Sobald Res Licht die Welt rosa und gold tönte, packte sie das Papier weg und fiel in einen kurzen, aber verjüngenden Schlaf.
Einige Tage darauf spazierte Chloe auf dem Deck herum und schaute den Arbeitern und Sklaven zu. Sie fühlte sich eigenartig fehl am Platz, und doch war ihr alles recht vertraut. Sie befanden sich jetzt auf einem ruhigeren Flußabschnitt, und von der Reling aus war nichts zu sehen als Wasser, Wasser, Wasser. In Chloes Erinnerung verschwammen allmählich die Felder mit Emmer, Flachs, Weizen und Dinkel.
Auf den Dämmen beiderseits des Flusses standen kleine Hütten, wo, wie die »andere« ihr erklärte, die Rekkit und die Apiru im Frondienst lebten, die dafür zu sorgen hatten, daß die Bewässerungskanäle sauber und die Deiche stark blieben. Die Hütten waren schnell zu bauen, was auch notwendig war, da während der Überschwemmung alle in höhergelegene Gebiete zogen. Wenn der Nil über die Ufer trat und die gesamte Ebene überschwemmte, blieben nur Steinbauten stehen: die Häuser der Götter. Nachdem die Wasser zurückgewichen waren, oblag es den niederen Priestern, die Tempel zu reinigen und zu reparieren.
Chloe konnte nicht begreifen, daß die Ägypter die jährliche Flut so ungerührt hinnahmen. Tatsächlich warteten sie sogar darauf. Einmal im Jahr würde ihr gesamtes Land überflutet. Einmal im Jahr fingen sie wieder ganz von vorne an.
Wenn das Wasser wieder in seinem Bett floß, kehrten sie an dieselbe Stelle zurück und bauten alle gemeinsam ihre Lehmziegelhäuser wieder auf. Die einzigen Gebiete, die von den anschwellenden Wassern unbehelligt blieben, lagen in der Wüste, wie zum Beispiel die Stadt der Toten am Ufer gegenüber von Waset.
Die Stadt der Toten, wo die in den Gräbern arbeitenden Goldschmiede, Bildhauer und Künstler wohnten, war weit genug vom Fluß entfernt und lag so hoch, daß die Einwohner zum Teil seit Generationen im selben Haus lebten. Für einen Ägypter war eine derart lange Zeitspanne beinahe unvorstellbar. Nur Tempel und Gräber überdauerten die Zeit. Alles andere unterlag einem festen Muster von Zerstörung und Neuschöpfung, Leben und Tod, Überschwemmung und Sommer. Diese beständige Wiederholung verlieh Kraft und Sinn, denn allein der altbekannte Kreislauf wurde als angemessen und der Ma’at entsprechend betrachtet.
Nach zwei ägyptischen Wochen auf dem Wasser hatte Chloe keine Ahnung mehr, wo sie sich befanden. Seit Tagen waren sie an keiner großen Stadt mehr vorbeigekommen. Über ihnen hing der blaue Himmel, unter dem zwergenhaft das winzige Boot auf dem breiten Fluß dahinzog, dem Großen Grün entgegen. Bisweilen gesellte sich Cheftu beim Atmu zu ihr. Er sprach nicht viel, aber andererseits war es nicht einfach, eine Unterhaltung mit jemandem zu führen, der im Grunde stumm war. Der Notizblock war hilfreich, doch ein recht umständliches Medium, wenn es darum ging, inhaltsleeres, angestrengtes Geplänkel auszutauschen.
Sie verbrachte viel Zeit damit, ihn zu beobachten. An
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