Time-Travel-Triologie 01 - Die Prophetin von Luxor
erstreckten sich Gärten. Über dem Blumengarten lag der schwere Duft von Lotos, Geißblatt und Kräutern. Der Gemüsegarten war mit beinahe europäischer Präzision angelegt, viele Salat- und verschiedene Zwiebelarten wuchsen in säuberlich abgegrenzten Reihen. Die Weingärten, erläuterte Cheftu, zogen sich am Rand des Gutes entlang und waren mit einer Auswahl von Traubenarten bepflanzt.
Er experimentierte mit verschiedenen Traubenmischungen im Wein. Ein antiker Winzer.
Der Mond stand als Sichel über ihnen, die Sterne bildeten ein funkelndes Dach, als er sie in seinen Medizingarten führte. In der Mitte stand eine kleine Lehmziegelhütte; ein Lager und Laboratorium, wie Cheftu erklärte.
Die Spannung, die vorhin beim Essen geherrscht hatte, hatte sich gelöst, obwohl Chloe für ihr Leben gern erfahren hätte, was er mit seinen Kommentaren gemeint hatte. Eine Weile gingen sie im Schatten des Fackelscheins dahin, Chloe dankbar für die Bewegung und Gesellschaft, Cheftu schweigsam.
»Herrin RaEm«, fragte er schließlich, »wir werden mehrere Monate miteinander verbringen, könntest du es mir also erklären?« Chloe wartete auf ein weiteres Stichwort, während sie mit seinen langen, schnellen Schritten mitzuhalten versuchte. Plötzlich blieb er stehen und drehte sich zu ihr um. Seine Stimme klang fest, und doch schwang eine Inständigkeit darin, die er nicht überspielen konnte. Die Nacht schwärzte seine Augen. »Möchtest du, daß ich dich anflehe?« fragte er abrupt.
Verwirrt sah Chloe ihn an. Was war mit dem fröhlichen Fremdenführer von eben geschehen? Sie weigerte sich, vor seinem düsteren Blick zurückzuweichen, und so starrten sie einander schweigend an. Cheftus Stimme klang nun abgespannt. »Ich habe Papyrus dabei; ich würde es gern wissen. Ich glaube, das bist du mir, unserer Familie und unseren Gästen schuldig.«
Chloe zuckte halbherzig mit den Achseln und verfluchte RaEm für ihre bruchstückhafte Erinnerung. Cheftus Augen glitzerten im Fackelschein, und seine Lippen schmolzen zu einem dünnen Strich zusammen. Sie zuckte erneut mit den Achseln, und ihr Gesicht zeigte den internationalen Ausdruck des Nichtverstehens. Offenbar überzeugte ihn das.
»Wie du meinst, Herrin RaEmhetepet –« Er spie ihren Namen aus. »Ich hatte gehofft, daß wir, nachdem wir uns seit so vielen Überschwemmungen nicht mehr gesehen haben, wenigstens freundlichen Umgang miteinander haben und eine ordentliche Arzt-Patient-Beziehung aufbauen könnten, wenn wir erst die Fragen der Vergangenheit geklärt hätten, doch ich sehe, daß sich zwar dein Aussehen, aber nicht dein Wesen geändert hat. Ich werde dich kein zweites Mal fragen. Ich kann nur nicht begreifen –« Er verstummte, wandte sich ab und stapfte durch die bezaubernden Gärten davon, durch die sie eben gemeinsam geschlendert waren. Chloe mußte ihre Röcke raffen und ihm hinterher laufen, wenn sie ihn nicht aus dem Blick verlieren wollte. Sobald sie im Patio angekommen waren, verneigte sich Cheftu kalt und überließ sie der Obhut einer jungen Sklavin.
Chloe folgte ihr durch die Räume und sank dann auf ihr Bett; in ihrem Kopf drehte sich alles, und im Magen meldete sich die vertraute Übelkeit. Man half ihr in ein Nachthemd, dann machte sie sich auf die Suche nach einem Nachttopf. Sie verfluchte Cheftu – ihr noch mehr Ärger zu machen, dachte sie, während sie ihren Magen leerte. Danach taumelte sie zu ihrem Bett zurück.
Sie wurde von einer sanften Hand auf ihrer Schulter geweckt. Nebjet half ihr beim Anziehen, und Chloe nahm ein Päckchen mit Brot und Obst entgegen. Als sie auf dem Bootssteg eintraf, wartete Cheftu bereits auf sie, in einen schlichten Schurz und Weidensandalen gekleidet und mit einem Umhang über den breiten Schultern. Er grüßte sie mit einem knappen Nicken und überwachte dann weiter das Beladen des Schiffes. Auf seinem Rücken trug er einen Köcher mit Pfeilen, und in seiner Flachsschärpe steckte ein Bogen. Sie ging an Bord und war eingeschlafen, kaum daß sie sich hingelegt hatte.
Am nächsten Tag manövrierten die Ruderer sie durch die Stromschnellen des Nils, und die Passagiere verfolgten schweigend, wie das Boot die Kurven und Windungen nahm, dirigiert vom Kapitän und kontrolliert von den Männern am Ruder.
Bald darauf passierten sie Abdo, wo die Kais voller Menschen waren, die Schiffe be- und entluden. Aus dem Schatten ihres Zeltes heraus beobachtete sie, wie die Rekkit vor der königlichen Standarte am Boot salutierten. Die
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